Wer in Österreich eine Anlage errichten will, muss nicht unverhältnismäßig lang warten. Bloß bei Infrastrukturvorhaben dauert es zu lang.

Foto: Robert Newald

Debatten um Änderungen im Umweltrecht wurden in den vergangenen Jahren meist von einem kleinen Kreis von Umweltjuristen geführt. Nachdem die Bundesregierung heuer einen Entwurf für ein Standortentwicklungsgesetz vorgelegt hat, ist das Umweltrecht plötzlich Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Im Folgenden zehn Thesen zur aktuellen Debatte:

  • 1. Eine Staatszielbestimmung "Wirtschaftsstandort" ist aus juristischer Sicht nicht notwendig.
    Behauptet wird, dass eine solche erforderlich wäre, damit auch wirtschaftliche Interessen in Genehmigungsverfahren Beachtung fänden. Nun haben wir in Österreich bereits seit 1984 Umweltschutz als Staatsziel verankert. Trotzdem wurden die volkswirtschaftlichen Aspekte von Projekten im Rahmen umweltrechtlicher Interessenabwägungen stets berücksichtigt. Eine Staatszielbestimmung "Wirtschaftsstandort" würde daran weder in die eine noch in die andere Richtung etwas ändern.
  • 2. Das Standortentwicklungsgesetz in der vorgelegten Form ist tot.
    Der von der Bundesregierung vor dem Sommer vorgelegte Entwurf ist derart überzogen, dass er nur schwer saniert werden kann. Eine unions-und verfassungskonforme Umgestaltung wäre nur möglich, wenn vom Entwurf wenig Substanzielles übrigbliebe. Das ist deshalb bedauerlich, weil der Grundgedanke des Entwurfs, nämlich für wichtige Projekte (z. B. zur Schaffung erneuerbarer Energie) ein besonderes Interesse der Republik festzuschreiben, jedenfalls verfolgenswert ist.
  • 3. Ein durchschnittliches UVP-Verfahren kann in einem angemessenen Zeitrahmen abgeschlossen werden.
    Aus dem aktuellen Bericht zu Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) der Umweltministerin geht hervor, dass UVP-Verfahren in durchschnittlich 13,3 Monaten abgeschlossen werden. Da es sich dabei ausschließlich um Großvorhaben handelt, ist dies grundsätzlich keine unverhältnismäßige Verfahrensdauer.
  • 4. Einige UVP-Verfahren dauern aber tatsächlich viel zu lange und ziehen sich über Jahre.
    Vor allem bei Infrastrukturvorhaben – Autobahnen, Starkstromleitungen, Eisenbahntrassen – sind Verfahrensdauern von fünf bis zehn Jahren und länger keine Seltenheit. Dies liegt zum einen daran, dass sich die Politik bisher nicht dazu durchringen konnte, auch für Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken eine umfassende Genehmigungskonzentration vorzusehen. Zum anderen ist das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) für Projekte, die sich über hunderte Kilometer erstrecken, nicht geeignet. Hier ist dringender Modernisierungsbedarf gegeben.
  • 5. Die Beteiligung von Umweltorganisationen hat keinen signifikanten Einfluss auf die Dauer von Genehmigungsverfahren.
    Dies liegt schon daran, dass sich Umweltorganisationen lediglich in zwei bis drei UVP-Verfahren pro Jahr einbringen. Aber selbst in diesen Fällen würden straffe Verfahrensregeln genügen, um unnötige Verfahrensverzögerungen zu vermeiden.
  • 6. Auch NGOs brauchen ein Mindestmaß an demokratischer Legitimation.
    Dies ist bei Ein-Personen-NGOs jedenfalls nicht der Fall. Der Versuch der Regierung, Umweltorganisationen aus den UVP-Verfahren zu drängen (Stichwort: mindestens 100 Mitglieder), könnte allerdings aus Sicht des Unionsrechts überschießend sein.
  • 7. Eine weitergehende Beteiligung der Öffentlichkeit wird ohnedies kommen.
    Die Verwaltungsgerichte haben Umweltorganisationen in den letzten Jahren Rechtsmittelbefugnisse in naturschutz- und wasserrechtlichen Verfahren zuerkannt. Darüber hinaus hat jüngst der Verwaltungsgerichtshof die Beschränkung, dass Bürgerinitiativen nur in ordentlichen, nicht aber auch in vereinfachten UVP-Verfahren Parteistellung haben, für unionsrechtswidrig erklärt. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen.
  • 8. Eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist notwendig und möglich.
    Schnellere Bewilligungsverfahren erreicht man weniger durch eine Verdrängung der NGOs als durch ein fair und vernünftig ausgestaltetes Verfahrensrecht. Eine Prozessförderungspflicht – analog zur Zivilprozessordnung (ZPO) -, Rechtsmissbrauchsregelungen (wie im deutschen Umweltrecht) und Bestimmungen zum Schluss des Ermittlungsverfahrens könnten die Verfahrensdauer bei Beibehaltung materieller UmweltsStandards wesentlich reduzieren.
  • 9. Nicht jedes Detail muss untersucht und beurteilt werden.
    Die Verfahren sind besser zu gliedern. Mut ist auch bei Behörden und Sachverständigen gefragt, wenn es darum geht, ob nun für jedes Detail gesonderte Gutachten zu erstellen sind.
  • 10. Eine kühne Vision wäre ein einheitliches Anlagenrecht für Österreich.
    Das Anlagenrecht ist in mehr als 100 Gesetze zersplittert – ein Umstand, an den komplexe Abgrenzungs- und Zuständigkeitsfragen anknüpfen. Eine Vereinheitlichung dieses Wildwuchses sollte dringend angegangen werden. (Daniel Ennöckl Martin Niederhuber, 19.11.2018)