Wien – Rund zehn Jahre nach der zweitgrößten Immobilienpleite Deutschlands und achtjährigen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Wien Anklage gegen den ehemaligen Chef der Level-One-Gruppe erhoben, den Linzer Cevdet Caner (45). Am Montag beginnt am Wiener Landesgericht für Strafsachen unter dem Vorsitz von Richter Michael Tolstiuk der Prozess gegen Caner und mehrere Mitangeklagte.

Staatsanwältin Martina Semper wirft den Angeklagten schweren gewerbsmäßigen Betrug, betrügerische Krida, Verabredung zu einer kriminellen Organisation und Geldwäsche vor. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Freispruch beantragt

Caners Anwälte haben am Montag den sofortigen Freispruch des Erstangeklagten beantragt und das mit dem Verbot der wiederholten Strafverfolgung begründet. Weiters wurde von den Anwälten beantragt, den Sachverständigen Martin Geyer wegen Befangenheit nicht beizuziehen.

Caners Anwalt, Michael Rohregger, argumentierte, dass die Staatsanwaltschaft Berlin die gegen Caner erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit der Pleite des Immo-Konzerns Level One Group – u.a. ging es um Insolvenzverschleppung und Geldwäsche – inhaltlich geprüft und die Ermittlungen rechtskräftig eingestellt habe. Nach dem Prinzip "ne bis in idem" solle eine wiederholte Verfolgung bei nicht geänderten Tatsachen ausgeschlossen werden, daher sei ein sofortiger Freispruch zu fällen und das Verfahren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens einzustellen. Sollte das Gericht dennoch ein Urteil fällen, so wäre dieses nichtig, sagte Rohregger.

Für die Mitangeklagten Peter H., Bernd T., Herbert A., Gernot Sch. und Wolfgang H. würde das ebenfalls Straffreiheit bedeuten, da es keine Strafbarkeit der weiteren Angeklagten geben könne, wenn der Erstangeklagte freizusprechen sei, argumentierten die Anwälte.

Millionenschaden

Laut Anklage soll Caner, der nun in Monaco wohnt, bei seiner Investitionstätigkeit rund um den Kauf von Immobilien in Ostdeutschland Banken und Anleihengläubiger um insgesamt 145,2 Millionen Euro geschädigt haben. Einen großen Teil davon soll Caner demnach für sich privat abgezweigt haben.

Caner hat wie berichtet ab 2005 mit finanzieller Unterstützung der Credit Suisse und ohne über nennenswertes Eigenkapital zu verfügen in Ostdeutschland ein Immobilienimperium aufgebaut. Innerhalb von nur drei Jahren stieg er mit dem Unternehmen Level One mit 28.000 Wohnungen zu einem der größten Immobilienbesitzer Deutschlands auf. Im Jänner 2009 folgte die Pleite mit 1,5 Milliarden Euro Schulden. Gegen Caner und 19 weitere Personen wurde seit 2010 ermittelt.

Caner weist sämtliche gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück und führt die Pleite auf eine feindliche Übernahme durch ein Konsortium aus Banken und Hedgefonds im Zuge der weltweiten Finanzkrise zurück. Das Konsortium habe die Level One Group kurz vor deren geplantem Börsengang im Jahr 2008 übernommen und dann vorsätzlich in die Insolvenz geführt, ließ Caner über seinen deutschen Anwalt Ben M. Irle mitteilen, der ihn in medienrechtlichen Angelegenheiten vertritt.

Zwei Verfahren eingestellt

Von der Staatsanwaltschaft in Berlin eingeleitete Ermittlungsverfahren seien 2008 und 2012 eingestellt worden, heißt es in der Aussendung des Anwalts. Der zuständigen Staatsanwältin wird vorgeworfen, Caner während der acht Jahre dauernden Ermittlungen nie befragt zu haben. Vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sei die Republik Österreich wegen der überlangen Verfahrensdauer erst im September 2018 zu einer Schadenersatzzahlung verpflichtet worden.

Die Insolvenz der Level One Group war nicht die erste Pleite des kurdischstämmigen Caner. Er gründete in Linz das Call Center CLC und rief im Oktober 2000 die erste private Telefonauskunft in Österreich – 11 88 99 "Alles Auskunft" – ins Leben. Ein Jahr später brachte er die CLC an die Börse und zog sich 2002 als CEO zurück. 2004 war die CLC pleite. Im Sommer 2010 wurde auch über die Telefonauskunft 11 88 99 der Konkurs eröffnet.