Eine Kundgebung im Rahmen der Warnstreiks der metalltechnischen Industrie am vergangenen Montag.

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Für die angriffslustige Eisenbahnergewerkschaft haben die Metaller die Latte hoch gelegt. Will sie mehr als die von Dienstgeber ÖBB mangels Kollektivvertragseinigung freiwillig ausgezahlte dreiprozentige Anhebung haben, müsste sie wohl ordentlich in die Gänge kommen. Denn die Arbeitnehmer mit ihrer enorm gestiegenen Produktivität haben ihre drei bis 3,6 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung mit hunderten Betriebsversammlungen und Warnstreiks erstritten. Ein höherer Abschluss dürfte in der überwiegend öffentlich finanzierten ÖBB wohl schwer durchsetzbar sein – ohne das Bahnnetz lahmzulegen. Gleiches gilt für den öffentlichen Dienst.

Der Handel hingegen hat mit gut 400.000 Beschäftigten deutlich mehr Betroffene in unteren Einkommensschichten, die Durchsetzungskraft im Dienstleistungsbereich ist mit jener von Metall- und Eisenbahngewerkschaft aber kaum vergleichbar. Und noch einen Unterschied gibt es, der 100-Prozent-Zuschläge für den Zwölfstundentag illusorisch erscheinen lässt: Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten im Handel ist hoch, Überstundenzuschläge gibt es für sie erst ab Überschreitung der 40-Stunden-Woche.

Eisen und Stahl

Zunächst aber geht es bei den restlichen Metallbranchen Schlag auf Schlag. In den nächsten Tagen werden Gießereien, Eisen- und Stahlerzeuger, Fahrzeugindustrie, Nichteisenmetaller und Gas-/Wärmeerzeuger den Metallverarbeitern folgen. Ihre Abschlüsse sollen, das ist das erklärte Ziel der Gewerkschaft, auf gleicher Höhe liegen. Unterschiede sind quasi im Promillebereich zu erwarten.

Getrennt im Gleichschritt

Die von der Industrie vor fünf Jahren gekündigte "Metaller-Globalrunde" bleibt damit erhalten – zumindest bei den Prozenten für insgesamt gut 190.000 Metallarbeiter und Industrieangestellte.

Die Präsentation des Verhandlungsergebnisses am Sonntagabend war übrigens symptomatisch für den Zustand der Sozialpartnerschaft in der Metallerherbstlohnrunde: Arbeitgeber und Gewerkschafter gaben Details der Einigung fein säuberlich getrennt bekannt. Auf eine gemeinsame Verkündigung, wie jahrzehntelang praktiziert, legte man keinen Wert.

Verdiente Erhöhung

Dennoch sprach der Obmann des Fachverbands der Metalltechnischen Industrie (FMTI), Christian Knill, von einer "verdienten Erhöhung" der Löhne und Gehälter für die rund 130.000 Beschäftigten der Branche. Diesen in sieben Verhandlungsrunden erzielten Abschluss müssten die mehr als 1200 Metallverarbeitungs- und Maschinenbauunternehmen allerdings erst erwirtschaften.

Ähnlich sehen das auch Wirtschaftsforscher. Als Abschluss "im Rahmen des Erwartbaren" qualifiziert der Einkommensexperte des Wifo, Thomas Leoni, das Ergebnis. Die durchschnittliche Steigerung von 3,46 Prozent sei aufgrund der guten Entwicklung im abgelaufenen Jahr gerechtfertigt. "Allerdings erhöht er die Kosten permanent. Damit ist der neue Kollektivvertrag sicher eine Herausforderung angesichts der sich abkühlenden konjunkturellen Entwicklung."

Konjunkturabkühlung

Vor allem beim wichtigen Handelspartner Deutschland habe sich die Industriekonjunktur zuletzt abgekühlt. Weitere Unsicherheiten schüre der Handelsstreit. "Der Abschluss ist jedenfalls positiv, weil Streiks abgewendet wurden", sagt Leoni zum STANDARD. "Am oberen Rand" sieht den Abschluss auch Helmut Hofer, Konjunkturexperte des IHS. Verkraftbar werde er schon sein.

Kaum verhehlen konnten die Arbeitnehmerverhandler rund um Proge-Chef Wimmer und Karl Dürtscher von der GPA ihren Stolz: Die Ist-Löhne und -Gehälter steigen je nach Lohn- und Verwendungsgruppe um 3,0 bis 3,6 Prozent (Ersteres vor allem für Angestellte mit im Schnitt 6000 Euro Monatsbruttogehalt). Sogar den Vierer vor dem Komma gibt es: Die Mindesteinkommen, also die KV-Löhne für rund 20.000 Beschäftigte in den untersten Einkommensgruppen (A bis D, unter 2285 Euro Bruttomonatslohn), werden um 4,3 Prozent erhöht (mindestens um 80 Euro). (Luise Ungerboeck, 19.11.2018)