Niamat Mohammadi erspielte mit dem österreichischen HWC-Team vom 13. November bis zum 18. November in Mexiko den 16. Platz.

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Schon zum zweiten Mal war letzte Woche Mexiko-Stadt der Schauplatz des Homeless World Cup (HWC), einer Straßenfußball-WM, die Menschen vom Rand der Gesellschaft durch Fußball in die Mitte holen soll. Für Niamat Mohammadi, einen der acht Spieler des österreichischen Teams, hingegen war dies die erste Reise nach Mexiko. Der 17-Jährige mit den markanten Locken hätte es nie für möglich gehalten, dass er einmal hierher kommen würde. Dies sei "unglaublich" und "ein gutes Gefühl".

Das österreichische Team bei der Eröffnungsparade des 16. Homeless World Cup in Mexiko-Stadt.
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Fußball als Weg nach oben

Denn erst seit vier Jahren lebt er in Österreich. Er wollte schon immer Fußball spielen, leider konnte er diesen Traum in seinem Geburtsland Afghanistan aufgrund des Krieges aber nie verwirklichen.

Der Sport bedeutet ihm viel: "Fußball ist Motivation fürs Leben", Fußball sei bei Dingen, die einen sehr belasten und runterziehen, der Weg nach oben. Schon letztes Jahr wäre Niamat Mohammadi gerne beim Homeless World Cup dabei gewesen, aufgrund seines jungen Alters hat es dann aber erst dieses Jahr geklappt. Seinen Traum, Fußball zu spielen, konnte er auch schon davor in Österreich verwirklichen: 2015 hat er beim Sportklub Berndorf angefangen zu kicken und wechselte dann ein Jahr später zum Kottingbrunn ASK.

Nach Siegen gegen Hongkong, Italien und Kirgisistan und einer Niederlage gegen Mexiko stieg Österreich mit Platz zwei in der Vorrundengruppe A auf.
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Keine Flucht ohne Grund

Doch es gab auch nicht so schöne Zeiten in seinem Leben: Ein halbes Jahr war er zu Fuß, mit Schiff und Auto, bei allen Witterungen, Tag und Nacht auf dem Weg von Afghanistan nach Österreich. Er habe nicht direkt geplant, nach Österreich zu kommen. Auf der Flucht habe man keinen Plan, man suche sich nur einen sicheren Platz. "Keiner kommt zum Spaß her. Keiner verlässt zum Spaß die Familie", meint er dazu. Es gebe immer einen Grund für die Flucht in ein neues Land mit neuer Kultur.

Über seinen Grund, den Krieg und seine Vergangenheit in Afghanistan redet er aber nicht gerne. Zu positiv sei die Energie beim HWC, wobei er sich nicht durch solche Erinnerungen runterziehen lassen wolle.

Nach den Siegen gegen Finnland und Irland in der Zwischenrunde am Donnerstag war Niamat Mohammadi zufrieden: "Alle haben eine super Leistung gebracht, gaben ihr Bestes und waren voll fokussiert."
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Integration durch Fußball

Durch seine Teilnahme an der sozialen WM will er "etwas Positives machen". Er möchte sich integrieren und auf dem Fußballfeld zeigen, dass er sich integriert hat und sich auch integrieren kann und nicht alle gleich sind. Er möchte dadurch dem entgegenwirken, dass alle Asylwerber in einen Topf geworfen werden, nur weil einzelne "schlimme Sachen machen". Es sei zu Beginn aber schwer gewesen, allein in einem neuen Land mit einer Sprache, die er nicht beherrschte. Er habe von Anfang an versucht, sich an die für ihn neue Kultur anzupassen, Deutsch zu lernen und sich zu integrieren.

Heute merkt man ihm keine Sprachschwierigkeiten mehr an. Er ist Elektrikerlehrling im dritten Lehrjahr bei der ÖBB und macht Berufsmatura. Profisportler zu sein sei zwar ein Traum von ihm, jedoch könne man sich nie auf den Sport verlassen – und deswegen habe er sich einen Job als Sicherheit gesucht, denn er kann nicht auf die finanzielle Unterstützung seiner Familie zählen. Diese ist nämlich nicht in Österreich, sondern lebt in Afghanistan.

Nur sein jüngerer Bruder ist auch hier. Gemeinsam mit ihm wohnt er im SOS-Kinderdorf Ebreichsdorf, einer Wohngruppe für unbegleitete Flüchtlinge in Niederösterreich. Die beiden teilen sich die Leidenschaft Fußball.

Niamat Mohammadi beschrieb den vierten Spieltag als "emotional", "traurig" und aufgrund einer Schiedsrichterentscheidung als "nicht fair".
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Platz 16 für das österreichische Team

Für Niamat Mohammadis Ziel, die Top Ten zu erreichen, hat es dann schlussendlich leider beim HWC 2018 nicht gereicht: Der Gastgeber und Favorit Mexiko holte sich den Titel, die österreichische Mannschaft konnte nur den 16. Gesamtrang unter den 40 teilnehmenden Nationen im Herrenbewerb erspielen.

Und dies trotz des vielversprechenden Auftakts des österreichischen Teams, das schon am zweiten Matchtag das Ziel der Top 24 des Trainers und Exfußballprofis Gilbert Prilasnig erreichen konnte. Sie stiegen mit dem zweiten Platz in ihrer Vorrundengruppe in die obere Hälfte der Zwischenrunde auf, wo auf die Siege mehrere Niederlagen folgten und sie sich deswegen nur für die K.-o.-Runde, in der die Plätze neun bis 16 ausgespielt wurden, qualifizieren konnten. Am Wochenende hatte das Team mit körperlichen Problemen wie Müdigkeit aufgrund der anstrengenden Turniertage und kleineren Verletzungen zu kämpfen, und sie konnten ihr Leistungspotenzial nicht vollständig ausschöpfen. Das Team kämpfte in der zweiten Gruppe um die Carlos-Slim-Trophy, den zweitwichtigsten von fünf Pokalen, wurde aber nur Letzter.

Laut Teamchef Prilasnig sei das Team technisch und taktisch ganz gut, aber es hätten sich Schwächen in der Fitness gezeigt, die in der Schlussphase des Turniers immer wichtiger werde.

Am vierten Tag endete der Erfolgslauf des österreichischen Teams.
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Aus Niederlagen lernen

"Es geht darum, mit Niederlagen umgehen zu lernen und aus ihnen gestärkt hervorzugehen. Die anfängliche Enttäuschung hat sich schon gebessert", meint der HWC-Teammanager Thomas Jäger. Derzeit seien die Spieler noch etwas müde, hätten eine Menge an Eindrücken der "reizüberflutenden" Stadt Mexiko-Stadt zu verarbeiten und würden auf eine schöne Turnierwoche zurückblicken.

Das Team konnte das selbstgenannte Ziel Top 24 erreichen und sei mit diesem Ergebnis zufrieden.
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Niamat Mohammadi dazu nach dem letzten Match: "Wir haben gut gekämpft und natürlich irgendwie den Traum gehabt, vielleicht sogar Weltmeister zu werden. Aber man kann nicht immer nur gewinnen, wir haben alles versucht und bis zum Ende gekämpft. Das habe ich sicher für mein Leben gelernt, dass man mit Niederlagen umgehen können muss. Einfach ein neues Ziel setzen und nach vorn schauen, weitermachen."

Bald steht für ihn und die anderen Nationalspieler wieder die Rückreise an. Dann kehrt für Niamat Mohammadi wieder der Alltag ein, denn sein nächstes Ziel ist der Lehrabschluss. (Laura Schwärzler, 19.11.2018)