Kaum glaubt Sebastian Kurz, in seinem Bemühen um Österreichs Juden, um Israel und gegen Antisemitismus an Terrain zu gewinnen, passiert etwas, das seine Pläne zunichtemacht. Etwa beim Novemberpogrom-Gedenken: Da gelang es dem Kanzler trotz aller Vorbehalte gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ, Shoah-Überlebende zur Gedenkfeier ins Parlament zu bringen. Die Feier war schön und würdig – und kurze Zeit später wurde bekannt, dass derweil hochrangige FPÖ-Politiker Walter Nowotnys, des Fliegerpiloten der Nazis, an dessen Grab gedacht hatten.

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) schlug folgerichtig die Einladung des Innenministeriums zur Teilnahme an einer "Sicherheits- und Wertekonferenz" aus. Er gehe zu keiner Konferenz, die Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eröffne, sagte IKG-Präsident Oskar Deutsch.

Wenigstens hatte sich Israels Premier Benjamin Netanjahu zur Antisemitismuskonferenz der österreichischen EU-Präsidentschaft am Dienstag und Mittwoch angesagt. Daraus wurde aber auch nichts: Netanjahu muss seine innenpolitischen Probleme in den Griff bekommen. Für Kurz ist das umso schmerzlicher, als ihm ein gutes Verhältnis zu Israel wichtig ist. So will er nicht nur den "herkömmlichen" Antisemitismus bekämpfen, sondern auch jenen, der sich als Israel-Kritik verkleidet. Die Konferenz in Wien soll ein Zeichen gegen Antizionismus setzen. Bei seinem Besuch in Israel im Sommer erhielt Kurz viel Lob von Netanjahu, als er Israels Sicherheit als "österreichische Staatsräson" bezeichnete. Das ändert freilich nichts daran, dass die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl in Jerusalem nicht willkommen ist.

Die FPÖ ist der Keil zwischen Kurz und Israel – und noch mehr zwischen Kurz und der IKG. Die Verflechtungen der Partei mit Burschenschaftern, die sich am rechten Rand und darüber hinaus bewegen, sind ein No-Go für Österreichs Juden. Dass ein Securitymann mit Kontakten zu Gottfried Küssel just den BVT-Untersuchungsausschuss sicherte und bis dato nicht klar ist, wer da genau seine Verantwortung nicht wahrgenommen hat, stärkt das Vertrauen auch nicht.

Zudem setzt die FPÖ immer wieder "besondere" Zeichen, die einer Normalisierung des Verhältnisses zuwiderlaufen. Nach dem Nowotny-Gedenken etwa kam das rassistische "Ali"-Video. Mittlerweile gibt es eine lange Liste antisemitischer und rassistischer "Einzelfälle" in der FPÖ. Die Lernkurve verläuft gegen null. Die Aufregung um Udo Landbauer und dessen Burschenschaftsliederbücher hatte sich kaum gelegt, da saß Landbauer schon wieder im niederösterreichischen Landtag. Die Konsequenz aus der Affäre, die Einsetzung einer Historikerkommission, ist nur eine halbe: Die Kommission darf nur die Burschenschaften untersuchen. Echte Aufarbeitung sieht anders aus.

FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache und sein Umfeld umgeben sich mit Mitarbeitern und Beratern von zweifelhaftem Ruf. Wenn ein "Einzelfall" im blauen Dunstkreis aufpoppt, gibt Strache den empörten Unwissenden. Entweder hat er seine Partei nicht unter Kontrolle oder er sieht das Problem nicht – oder beides.

Dass sein Koalitionspartner immer wieder am braunen Rand anstreift, muss Kurz energisch unterbinden. Das wird ihm nur durch klare Abgrenzung gelingen. Kurz muss von Strache fordern, dass er in der FPÖ aufräumt. Gelingt dies nicht, wird keine hochkarätige Konferenz den Ruf seiner Regierung retten. (Petra Stuiber, 19.11.2018)