Howard Carter (links) mit Lord Carnarvon auf den Stufen zum Grab des Pharaos Tutanchamun.

Foto: Harry Burton

Bild nicht mehr verfügbar.

Carter bei Arbeiten an Tutanchamuns zweitem Sarg. Darunter kam auch noch ein dritter Sarg aus reinem Gold zum Vorschein, in dem sich die Mumie befand.

Foto: Picturedesk / Ullstein bild

Die goldene Totenmaske des Tutanchamun.

Foto: APA/AFP

Howard Carter zwei Jahre nach seiner größten Entdeckung.

Foto: Library of Congress [cc;3.0;by-sa]

Nur wenige Tage nach Beginn der Grabungssaison 1922/23 hielt George Herbert, 5. Earl of Carnarvon, in der englischen Grafschaft Hampshire ein Telegramm in Händen, mit dem er wohl kaum mehr gerechnet hatte: "Endlich eine wunderbare Entdeckung im Tal gemacht; ein prunkvolles Grab mit intakten Siegeln; bis zu Ihrer Ankunft alles wieder abgedeckt; Gratulation", lautete die Nachricht. Absender war der Ägyptologe Howard Carter.

Müde von der jahrelangen vergeblichen und kostspieligen Suche nach einem noch unbekannten Pharaonengrab im Tal der Könige bei Luxor, hatte Lord Carnarvon die Grabungen eigentlich in diesem Jahr einstellen wollen – langsam ging ihm das Geld für sein Hobby aus. Für Carter, den getriebenen Abenteurer, der die Arbeit vor Ort leitete, war das jedoch nicht infrage gekommen.

Er würde auch allein weitermachen und das Geld dafür notfalls selbst beschaffen, hatte Carter seinen Freund und Mäzen wissen lassen. Carnarvon hatte sich daraufhin ein weiteres Mal vom Enthusiasmus des Ägyptologen anstecken lassen und zugestimmt, eine allerletzte Suchkampagne zu finanzieren.

Und nun das: Schon in der ersten Grabungswoche Anfang November 1922 schien der ersehnte Erfolg greifbar. War Carter wirklich auf ein Königsgrab gestoßen? Sofort bereitete Carnarvon mit seiner Tochter Lady Evelyn die Reise nach Ägypten vor.

Hinab in die Vergangenheit

Für Carter begann eine Zeit quälenden Wartens – mehr als zwei Wochen sollte es dauern, bis sein Geldgeber eintraf. Anders als manche Kollegen und Konkurrenten war Carter seit Jahren der festen Überzeugung, dass im Tal der Könige noch große Entdeckungen zu machen wären – insbesondere dass sich das Grab des Pharaos Tutanchamun aus der 18. Dynastie dort befinden müsse, der etwa von 1332 bis 1323 vor unserer Zeitrechnung regiert hatte und jung verstorben war.

Carter war zum Schluss gekommen, dass es eigentlich nur noch einen aussichtsreichen Ort für die Suche geben könne: jenes Areal am Grab von Ramses VI., wo seine Arbeiter seit Jahren ihr Lager aufgeschlagen hatten. Und tatsächlich: Am dritten Grabungstag war man dort auf eine steinerne Stufe gestoßen. Carter war zunächst skeptisch gewesen, zu viele Enttäuschungen hatte er in den vergangenen Jahren erlebt.

Doch als tags darauf nach und nach die steile, in den Fels gehauene Treppe freigelegt worden war, wuchs auch seine Zuversicht. "Bei Sonnenuntergang wurde am Fuß der zwölften Stufe der obere Teil einer verschlossenen, mit Mörtel versiegelten Tür sichtbar", schrieb Carter in sein Notizbuch. "Eine versiegelte Tür ... Es ist also wirklich wahr!"

Antike Grabräuber

Was die Euphorie allerdings sogleich wieder gedämpft hatte, waren alte Spuren, die sich am Gemäuer fanden: Sie deuteten darauf hin, dass die Tür zweimal geöffnet und wieder versiegelt worden war. Hatten sich in der Antike Grabräuber Zugang verschafft und womöglich alles von Wert fortgeschafft? Carter hatte keine andere Wahl, als auf Carnarvon zu warten. Um nicht die Aufmerksamkeit moderner Plünderer zu erregen, ließ er die Treppe schnell wieder zuschütten und den Zugang tarnen.

Am 23. November trafen Carnarvon und seine Tochter im Tal der Könige ein, und die Arbeit konnte endlich weitergehen. Schon bei der neuerlichen Freilegung des Grabeingangs verflogen die letzten Zweifel, um wessen letzte Ruhestätte es sich handelte: Neb-cheperu-Re stand unter einem Siegel geschrieben, der Thronname Tutanchamuns.

Als es nach langen Mühen endlich gelang, die schwere Steintür zu öffnen, offenbarte sich dahinter ein mit Schutt und Erde ausgefüllter Gang. Bis zum Nachmittag des 26. November dauerte es, den Korridor freizulegen. Am Ende des fast zehn Meter langen Raums befand sich eine weitere versiegelte Tür.

Zwei Stunden vor Sonnenuntergang stand Carter mit drei Begleitern vor dieser verschlossenen Pforte: Lord Carnarvon und seine Tochter Evelyn sowie Carters alter Freund Arthur Callender waren dem Ägyptologen die steile Felstreppe hinab gefolgt. An der Tür war deutlich zu erkennen, dass auch hier schon vor langer Zeit jemand eingedrungen war und die Öffnung nachträglich mit Gips versiegelt hatte. War es also längst zu spät?

"Wunderbare Dinge"

Carter griff zum Meißel und schlug ein kleines Loch in den Gips, um hindurchzuspähen. "Zuerst konnte ich gar nichts sehen, denn die warme Luft, die aus der Kammer entwich, ließ das Licht der Kerze flackern; doch als sich meine Augen daran gewöhnt hatten, tauchten nach und nach Details des Raumes auf: seltsame Tiergestalten, Statuen und Gold – überall das Glitzern von Gold. Als Lord Carnarvon die Ungewissheit nicht länger ertragen konnte, fragte er mich ängstlich: "Können Sie etwas sehen?" Alles, was ich herausbringen konnte, war: "Ja, wunderbare Dinge."

Wie sich herausstellen sollte, waren die Grabräuber nicht sonderlich weit gekommen. Neben unzähligen Schätzen lag die eigentliche Sensation hinter einer weiteren Tür: der unversehrte Sarkophag des Pharaos. In der Weltöffentlichkeit lösten diese Nachrichten eine geradezu hysterische Begeisterung für das alte Ägypten aus – und die aufregenden Nachrichten aus dem Tal der Könige rissen nicht ab: Nach und nach wurden die fantastischen Schätze des Grabes geborgen, der größte aber fand sich im Sarkophag selbst. Unter dem mehr als eine Tonne schweren Steindeckel fanden sich drei ineinandergeschachtelte Särge, von denen der innerste aus reinem Gold gefertigt war und die Mumie mit einer prachtvollen goldenen Totenmaske enthielt.

Der andere "Fluch des Pharaos"

Zehn Jahre lang dauerte es, bis Carter alle Schätze geborgen und katalogisiert hatte – mit Unterbrechungen, die aus Streit und juristischen Auseinandersetzungen mit der ägyptischen Altertumsbehörde resultierten. Lord Carnarvon erlebte all das nicht mehr, er starb nur Monate nach der Entdeckung im April 1923. In einigen Medien wurde sein Tod publikumswirksam ausgeschlachtet und von einem "Fluch des Pharaos" fantasiert. In Wahrheit war Carnarvon natürlich nicht an altägyptischer Magie gestorben, sondern an einer Blutvergiftung, die er sich beim Rasieren zugezogen hatte.

Howard Carter war indes mit einem ganz anderen "Fluch des Pharaos" konfrontiert, der zunehmend die Wut in ihm aufsteigen ließ: Die enorme Aufmerksamkeit für Tutanchamun führte dazu, dass immer größere Scharen an Touristen ins Tal der Könige strömten und die Arbeiten behinderten. "Allein seit dem 2. Jänner sind über 9.000 Menschen gekommen, um das Grab zu sehen", beklagte er sich im Februar 1926 in einem Brief. In seinem Grabungsbuch vermerkte er verärgert, dass er "kein Touristenführer, sondern Archäologe" sei. (David Rennert, 26.11.2018)