Die Regierung ließ sich – frei nach Konrad Adenauer – nicht daran hindern, über Nacht klüger zu werden. Aus einer Nacht sind mittlerweile ein paar Monate geworden, in denen ein stark geänderter Entwurf zur Beschleunigung großer Infrastrukturprojekte ausgearbeitet wurde. Das Vorhaben ist volkswirtschaftlich ziemlich bedeutsam, sind doch effiziente Energie- und Verkehrsnetze sowie Flughäfen oder auch funktionierende Deponien für einen attraktiven Standort unabdingbar. Genau bei der Genehmigung dieser Großvorhaben hapert es, weshalb eine Reform dringend notwendig erscheint.

Auch wenn die Verfahrensdauer bei den meisten Projekten einigermaßen im Rahmen liegt, gibt es doch enorme Ausreißer. Der Flughafen Wien mit seinen Plänen für den Bau einer dritten Piste kann ein Lied davon singen. Auch diverse Stromnetze oder Kraftwerke sind – wenn überhaupt – nur noch nach jahrelangen Auseinandersetzungen durchsetzbar. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat völlig recht, wenn er diesen Zustand als unvertretbar verurteilt und befürchtet, dass Österreich den Anschluss verpasst.

Das ändert aber nichts daran, dass der erste Reformvorschlag reichlich unklug war. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck versuchte es mit einer Automatik: Wenn eine Behörde nicht innerhalb von 18 Monaten über ein standortrelevantes Vorhaben entscheidet, sollte es automatisch genehmigt sein. Nicht nur notorische Kritiker, selbst ÖVP-geführte Ressorts prangerten – hinter verschlossenen Türen – das schwere verfassungs- und europarechtliche Foul an.

Pingpongspiel

Nun werden dem Ungeheuer die Giftzähne gezogen. Im Kern wich die Automatik einem Mechanismus, laut dem die Entscheidung über einen Projektantrag nach zwölf Monaten in die zweite Instanz wandert und dort – meist ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig – auch entschieden wird. Damit würde sich das ermüdende Pingpongspiel zwischen den Instanzen erübrigen, das auch insofern kräfte- und zeitraubend ist, als meistens ohnehin die Höchstgerichte über die großen Fälle entscheiden müssen.

Auch wenn es den Anschein hat, dass die Gerichte mit der Reform überlastet werden, sollte der neue Vorstoß sachlich diskutiert werden. Schon vor den Schlussfolgerungen dieser Auseinandersetzung lässt sich aber klar sagen, dass der Entwurf am Kernproblem vorbeigeht. Das liegt nämlich in den einzelnen Materiengesetzen begraben. Ob Eisenbahn-, Luftfahrt-, Starkstromwege- oder Bundesstraßengesetz: Sie alle sind zu einem großen Teil veraltet und enthalten nur vage Umweltschutzbestimmungen.

Das führt dazu, dass sich ein Gericht – wie bei der dritten Piste geschehen – auf aus den Fingern gesogene Grundlagen stützt. Etwa auf Klimaschutzabkommen, die für die Luftfahrt gar nicht gelten. Derartig unbestimmte Regelungen sind eine Gefahr für die Rechtssicherheit, die für den Standort erst recht bedeutsam ist.

Zweite Auslassung: Für standortrelevante Infrastrukturvorhaben bedarf es nicht nur einer willkürlichen Projektliste, sondern auch einer auf Jahrzehnte vorausschauenden Planung von Bund und Ländern unter Einbindung der Bevölkerung. Umweltschutz, Raumordnung und Wirtschaftsinteressen müssen dabei Hand in Hand gehen.

Davon hört und sieht man wenig, zumindest bisher. Man sollte das Kabinett Kurz auch in diesem Fall nicht daran hindern, klüger zu werden. (Andreas Schnauder, 20.11.2018)