Großprojekte wie der Bau des Semmeringtunnels sollen künftig rascher gehen.

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Grenzübergang Lustenau-Au: Zwischen der Ostschweiz und Vorarlberg gibt es einen regen wirtschaftlichen Austausch. Österreichische Grenzgänger arbeiten im Nachbarland, viele Schweizer Konsumenten kaufen dank starken Frankens billig im "Ländle" ein, dazu kommt der ganz normale Transportwahnsinn.

Was die Wirtschaft ankurbelt, nervt zusehends die Bevölkerung, die in manchen Orten in einer Verkehrshölle lebt, ebenso wie die Autofahrer selbst, die viel Zeit im Stau vergeuden. Die Politik hilft. Sie arbeitet auf Hochtouren an einer Schnellstraßenverbindung. Vom Autobahnknoten Dornbirn Nord an Lustenau vorbei in die Schweiz soll die neue Route führen, für die eine knappe Milliarde Euro veranschlagt ist.

Naturschutzprobleme

Das Problem: Die geplante Strecke S18 führt durch das Rheintaler Ried, das eine Art grüne Lunge inmitten der zusammenwachsenden Gemeinden darstellt. Protest von Naturschützern, Anrainern und anderen Gruppen regt sich daher schon lange.Sie werden die neuesten Entwicklungen mit Argusaugen verfolgen.

Die S18 soll nämlich von einer neuen gesetzlichen Regelung profitieren, mit der Infrastrukturprojekte einem beschleunigten Verfahren unterzogen werden, wenn sie im öffentlichen Interesse sind. Und die so genannte Bodensee-Schnellstraße wird dieses Kriterium erfüllen, wie Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) versichert.

Neues Gesetz

Was das heißt, darüber gibt der Gesetzesentwurf zum so genannten Standortentwicklungsgesetz Auskunft. Vorrangige Infrastrukturbauten werden von einem Expertengremium, in dem Vertreter mehrerer Ministerien sitzen, auf Antrag der Projektwerber gebilligt. Neben der S18 nannte die Ministerin den Ausbau der Murtal-Schnellstraße S36 sowie verschiedenste Vorhaben, die noch nicht genauer definiert sind: von Kraftwerken bis Universitäten.

Schramböck, Obwexer und Bergthaler verteidigen die geplanten Bestimmungen.
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Entgegen früheren Informationen nicht inkludiert ist der Lobau-Tunnel, denn Projekte, die bereits in einem Verfahren sind, dürfen nicht nachträglich vorgereiht werden.Schafft es ein Projekt auf die Liste der standortrelevanten Bauten, kommt es zu verschiedenen Abweichungen zu herkömmlichen Umweltvertäglichkeitsprüfungen (UVP), die der Beschleunigung dienen sollen. Der zentrale Punkt: Entscheidet eine Behörde innerhalb von zwölf Monaten nicht über den Antrag, kann das Verfahren direkt in die zweite Instanz wandern.

Gerichte gefordert

Dort würde – in der Regel ist das Bundesverwaltungsgericht befasst – dann gleich inhaltlich entschieden. Derzeit sind die Verfahren viel länger bei den Behörden anhängig, was Schramböck ändern will, weil das ein "ein massiver Standortnachteil" sei. "Wir leben in einer Einspruchsgesellschaft", beklagt die ÖVP-Ressortchefin. "Wenn wir Produktionen verlieren, hilft das niemandem."

Im Vorjahr dauerten die Verfahren durchschnittlich 24,3 Monate. Klammert man die vereinfachte Verfahren aus, kommt man laut Ministerium auf 36,8 Monate, bis ein Bescheid vorliegt. Künftig soll es für die wichtigen Projekte das verbindliche Ziel geben, sie in zwölf Monaten zu genehmigen, wenn nicht unzweifelhafte Hinderungsgründe – beispielsweise naturschutzrechtliche – vorliegen.

Redezeitbeschränkung

Um die Beschleunigung zu erreichen, soll das Verfahren gestrafft werden: Chronologische Ordnung der verschiedenen Punkte, Redezeitbeschränkung oder Auferlegung der Kosten, wenn ein Antrag schuldhaft verzögert wird, zählen zu den Maßnahmen. Gemeint ist beispielsweise, dass Beschwerdeführer ihre Argumente aus taktischen Gründen zurückhalten und erst gegen Ende des Verfahrens vorbringen. Das kann nach bereits langer Verfahrensdauer dazu führen, dass neue Gutachter wieder von vorne anfangen müsse.

Das geändert Gesetz soll sicherstellen, dass "der Zug zum Tor" gewährleistet wird, ohne dass Schutzrechte von NGOs oder Anrainern verletzt werden, wie zwei Experten sagen: EU-Rechtsprofessor Walter Obwexer und Umweltrechtsexperte Wilhelm Bergthaler haben die neuen Regelungen überprüft und abgesegnet.Mit einer verschuldensunabhängigen Säumnisbeschwerde können die Projektwerber dann das Verfahren nach zwölf Monaten von der Behörde in die zweite Instanz katapultieren.

Frist auch für Gericht

Das Bundesverwaltungsgericht muss dann innerhalb von sechs Monaten und auch inhaltlich entscheiden. Das heißt, dass die häufigen Zurückverweisungen an die erste Instanz – gern als Pingpong-Spiel bezeichnet – Geschichte sein sollen. Eine effizientere Gestaltung der Verfahren sei europarechtlich unbedenklich, meint Obwexer. Das Gericht der EU habe für Verfahren im eigenen Haus festgelegt, dass die Argumente der Kläger am Anfang vorgebracht werden müssen.

Die EU-Vorgaben hinsichtlich Beteiligung der Öffentlichkeit und Rechtsschutz würden durch die Novelle nicht beeinträchtigt, hält er fest. Welche Projekte – die Rede ist von zehn bis 15 – nun auf die Prioritätenliste kommen, soll Anfang 2019 festgelegt werden. Dann wird das Standortentwicklungsgesetz nach Regierungsplänen schon in Kraft getreten sein. (Andreas Schnauder, 21.11.2018)