Viele berichten beim Floating von meditativen Zuständen.

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In einem unscheinbaren Erdgeschoßlokal in der Wiener Josefstadt soll man sich schwerelos wie im Toten Meer fühlen, verspricht zumindest Andreas Huber. Er hat vor rund einem Jahr sein Floating-Center "Schwerelos" eröffnet. Floating – das bedeutet, ohne körperliche Anstrengung in einer Wanne gefüllt mit fast gesättigter Salzsole zu treiben. So wie im Toten Meer eben. Nur werden bei der Indoorvariante Reize von außen – Geräusche zum Beispiel – reduziert.

Huber empfiehlt die Methode Menschen mit Neurodermitis oder bei Problemen mit der Wirbelsäule, außerdem bei Stress, muskulären Problemen oder chronischen Schmerzen.

Die Studienlage dazu ist dünn. Das weiß Huber. Das Floating-Center ist aus seiner Abschlussarbeit an der Med-Uni entstanden. Darin hat Huber zu traumartigen Bewusstseinszuständen, die während der sensorischen Isolation entstehen, geforscht – und ist auf reges Interesse der Studienteilnehmer und ihrer Familien gestoßen. "Die Probanden brachten plötzlich ihre Tanten mit, weil die irgendwelche Beschwerden hatten", erzählt er. Mit seinem Zentrum will er nun weitere Studien zum Floating finanzieren.

In den USA forscht der Arzt Justin Feinstein zu Floating. Er glaubt, dass sich durch Floating ein meditativer Zustand für den Körper erreichen lässt – und zwar praktischerweise auch für Menschen, die keine Erfahrung mit Meditation haben. In einer im heurigen Februar publizierten Studie hat er untersucht, ob sich durch Floating die Symptome von Stress, Angst und Depression beeinflussen lassen. Und die Probanden berichteten nach der Floating-Einheit tatsächlich von einer Reduktion der Symptome und einer besseren Stimmung. Auch dazu, wie Floating Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung helfen könnte, wird derzeit geforscht.

Der Grazer Physiologe Andreas Rössler hält manche der dem Floating zugeschriebenen Wirkungen für durchaus plausibel: Die Sensorik werde ebenso wie kreislaufregulatorische Hormone und Stresshormone in einer so reizarmen Umgebung automatisch heruntergefahren. Das Herz muss weniger schlagen, der Parasympathikus – also der "Ruhenerv" – wird aktiviert. "Allerdings", ist Rössler überzeugt, "ist das alles nur vorübergehend."

Von Reizen abgeschirmt

Eine neue Erfindung ist Floating nicht: Der amerikanische Arzt John C. Lilly hat die Floating-Tanks in den 1960er-Jahren entwickelt. Dort, so seine Idee, sollen Menschen von allen Reizen von außen abgeschirmt sein – und so andere Bewusstseinsebenen erreichen. Später wurde auch die Hippie-Bewegung auf Floating aufmerksam. John Lennon und Yoko Ono sollen große Fans der Methode gewesen sein.

In den letzten Jahren ist Floating besonders in den USA wieder modern geworden: Amerikanische Sportler wie der Basketballspieler Stephen Curry oder der Footballspieler Tom Brady steigen zur Regeneration regelmäßig in den Floating-Tank. Mit der Methode wollen sie erschöpfte Muskeln entspannen und die Regeneration beschleunigen.

In Wien muss beim Floating allerdings nicht in einen Wassertank gestiegen werden, was Klaustrophobiker freuen dürfte. Hier wird stattdessen eine sehr große, offene Wanne mit Salzwasser gefüllt, dessen Temperatur der Körperoberfläche und der Lufttemperatur entspricht. "Man verliert das subjektive Gefühl für die Schwerkraft", erklärt Huber. Innerhalb kürzester Zeit würde der Körper sich entspannen und in einen Halbschlaf gleiten. "Das vergleichen viele mit einem meditativen Zustand."

Keine Buddha-Statuen

Buddha-Statuen und Duftkerzen sucht man in der Wiener Josefstadt vergeblich. "Es liegt mir am Herzen, dass das Floating nicht in eine Wellnessecke kommt", sagt Huber. Er betont: "Es ist therapeutisch." Demnächst plant er ein weiteres Forschungsprojekt dazu.

Eine Einheit Floating dauert 60 Minuten. Um die Ohren vor Wasser und Geräuschen zu schützen, liegen Ohrenstöpsel bereit. Auch die Helligkeit beziehungsweise Dunkelheit des Raumes kann jeder selbst regulieren. Von der Umgebung hört man, sobald man im Wasser liegt, tatsächlich nichts mehr, das zeigt auch der Selbstversuch – nicht einmal die Straßenbahn, die in regelmäßigen Abständen an der Haustür vorbeirattert, nimmt man wahr.

Der Selbstversuch zeigt aber auch: Plötzlich klingt jeder Atemzug so laut wie eine Dampflok – und eine Stunde fühlt sich wie eine Ewigkeit an, wenn man das Entspannen nicht gewöhnt ist. Zwar muss man sich keine Sorgen machen unterzugehen – dafür bewegt man sich aber auch immer leicht im Wasser, so als ob man auf einer Luftmatratze läge. Huber empfiehlt Floating-Anfängern jedenfalls, sich auf dem Rücken ins Wasser zu legen und die Arme über den Kopf zu strecken. Das kann sich für Ungeübte in der Wirbelsäule seltsam anfühlen. Wer sich so nicht entspannen kann, kann seinen Kopf auch auf eine kleine Schwimmhilfe legen.

Mehr Bewegung

Schnell wird klar: Auch das Entspannen im Salzwasser will gekonnt sein. Im Internet stößt man aber auf Berichte über spektakuläre Halluzinationen, die manche innerhalb kürzester Zeit im Floating-Tank hatten. Für den Physiologen Rössler ist das nicht ganz abwegig: "Man erlebt ein Gefühl der Schwerelosigkeit, und rundherum fehlen die Sinneseindrücke."

"Schädlich ist Floating sicher nicht", sagt der Sportmediziner Robert Fritz von der Sportordination. Nachsatz: "Die Frage ist allerdings, ob es etwas bringt." Im Hochleistungssport, wo es nicht nur um den Körper, sondern stark auch um den Kopf geht, werde vieles ausprobiert, um die Regeneration zu beschleunigen. Bei seinen Patienten sei Floating allerdings kein Thema.

Generell empfiehlt Fritz zur Entspannung aber ohnehin eher einen anregenden Spaziergang als eine beruhigende Floating-Einheit: "Wir haben eher das Problem, dass wir uns zu wenig bewegen als zu viel." (zof, 1.12.2018)