Heute arbeiten die meisten Industriearbeiterinnen in der Nahrungsmittelproduktion, aber auch in der Pharma- und der Elektroindustrie, in Wäschereien oder der Metall- oder Schmuckindustrie.

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Wien – Sie sind eine wenig beachtete Beschäftigtengruppe: Zwar ist die Zahl der Industriearbeiterinnen seit den 1930er-Jahren stark gesunken, aber auch heute noch sind 5.500 Frauen in Wien als Arbeiterinnen in der Warenherstellung tätig. Die Arbeiterkammer hat ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen jetzt untersucht. Ein Fazit: Zeitdruck und Doppelbelastung durch Job und Haushalt bestehen nach wie vor.

Die Studie "So leben wir heute ... Wiener Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben" wurde von der Arbeiterkammer Wien zusammen mit der Stadt Wien (MA 57 und MA 23) in Auftrag gegeben. Sie wurde in Anlehnung an Käthe Leichters Studie "So leben wir. 1.320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben" aus dem Jahr 1932 konzipiert, die erstmals die Arbeits- und Lebensbedingungen von Arbeiterinnen erforschte.

Wohn- und Arbeitssituation

Seither erlebte der Sektor große Umwälzungen. Ganze Industriezweige wie die Tabak- und die Textilindustrie, die damals vielen Frauen Arbeitsplätze boten, sind verschwunden oder geschrumpft. Während 1931 noch 55.000 Industriearbeiterinnen in Wien tätig waren, sind es heute nur noch etwa 5.500. Die meisten arbeiten in der Nahrungsmittelproduktion, aber auch in der Pharma- und der Elektroindustrie, in Wäschereien oder der Metall- oder Schmuckindustrie. Für die Studie, die am Mittwochabend präsentiert wird, wurden mehr als 300 Arbeiterinnen befragt.

Während sich die Wohnsituation der Arbeiterinnen deutlich verbessert hat und die Arbeitssituation heute aufgrund der besseren wirtschaftlichen Lage weniger prekär ist, sind Zeitdruck und gesundheitliche Belastungen durch schwere körperliche Tätigkeiten, Lärm oder Staub nach wie vor ein großes Thema. In vielen Bereichen lasse sich "erstaunlich wenig Bewegung" feststellen: "Noch immer wird ein Großteil der Haushalts- und Betreuungsarbeiten von Frauen geleistet, ist der Zeitdruck durch Vollzeitbeschäftigung und Reproduktionsarbeit enorm; Erschöpfung und Zeitnot sind ein Kennzeichen der Arbeiterinnen damals wie heute", heißt es in der Studie.

Politischer Handlungsbedarf

Einen Umbruch erlebt die Branche durch die Digitalisierung. "In Bezug auf die Digitalisierung schildern die Industriearbeiterinnen, dass sie nicht eingebunden werden", sagt Ingrid Moritz, Leiterin der Frauenabteilung der Wiener AK. "Hier gibt es Handlungsbedarf." Die Arbeitskräfte müssten in die Veränderungsprozesse einbezogen werden.

Auch für Arbeitskammer-Präsidentin Renate Anderl zeigt die Studie politischen Handlungsbedarf auf: "Die Studie zeigt deutlich, dass Arbeitszeitregelungen entscheidende Voraussetzungen für ein gutes Arbeitsleben sind. Heute müssen wir leider über die negativen Auswirkungen der beschlossenen Arbeitszeitausweitung diskutieren. Das Zwölfstundentaggesetz ist besonders für Frauen ein Problem, weil sie noch immer die Hauptverantwortung für die Familie übernehmen", so Anderl. Neben guten Arbeitszeitregelungen brauche es die volle gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten und mehr betriebliche Weiterbildung. (APA, 21.11.2018)