Sieht ein Sonderermächtigungsgesetz, wie es seit 1933 keines mehr gegeben hat: Jörg Leichtfried.

Foto: APA/Jäger

Wien – Die Sozialversicherungsreform ist noch nicht beschlossen, Zugriff auf die Sozialversicherungen sicherte sich Türkis-Blau aber schon im Vorhinein durch das "parlamentarische Hintertürl", wie es Sozialrechtsexperte Walter Pfeil im STANDARD-Gespräch formuliert. Möglich ist das durch einen Abänderungsantrag beim Pensionserhöhungsgesetz, der am Donnerstag eingebracht und von den Regierungsparteien beschlossen wurde. Die Opposition empört sich über das Vorgehen der Koalition, ob das Ansinnen verfassungskonform ist, wird ebenfalls angezweifelt.

Der Abänderungsantrag dient der "Vorbereitung der Neuordnung der Verwaltungskörper". Dadurch wird dem Sozialministerium Zugriff auf Daten der Sozialversicherungsträger ermöglicht. Konkret will Türkis-Blau von den Versicherungsträgern "die Zahl pflichtversicherter Dienstnehmer" zu einem Stichtag verlangen können. Jörg Leichtfried, stellvertretender SPÖ-Klubobmann, sieht ein "Selbstermächtigungsgesetz".

"Ein juristisches Unding"

Aufgrund dieser Vorbereitungshandlungen hat auch Pfeil massive Bedenken. Bisher hat der Bund nur Aufsichtsrechte bei den Sozialversicherungsträgern, im Zuge der Reform ist eine Ausweitung der Durchgriffsrechte des Sozial- und des Finanzministeriums geplant, was auch im Widerspruch zur in der Verfassung verankerten Selbstverwaltung stehen könnte. Der Abänderungsantrag sei ein unzulässiger Eingriff in die Selbstverwaltung, für das Vorgehen fehlt eine gesetzliche Legitimation. "Es ist ein juristisches Unding, jetzt wird mehr verlangt, als im neuen Gesetz steht", sagt Pfeil: "Es ist ein Vorgriff auf eine Organisationsordnung, die noch nicht beschlossen wurde."

Die Regierungsparteien verstehen die Aufregung nicht. Aus dem ÖVP-Klub heißt es, dass das Einbringen eines Abänderungsantrags der Geschäftsordnung folge. Dass die Regierung Zugriff auf persönliche Daten haben will, weist Türkis zurück. Klubchef August Wöginger begründete die Initiative damit, dass einzelne Träger die Kassen-Strukturreform nicht unterstützen würden. (Marie-Theres Egyed, 23.11.2018)