Früher trug er Post aus, nun muss er ins Gefängnis: Ein 59-Jähriger wurde im Terrorprozess zu zweieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt.

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Wien – Ein pensionierter Postbeamter ist am Donnerstag am Wiener Landesgericht wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie wegen Verhetzung und Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes schuldig erkannt worden. Ein Schwurgericht unter Vorsitz von Nina Steindl verhängte über den bisher unbescholtenen 59-Jährigen zweieinhalb Jahre unbedingte Haft.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Christian Werner erbat Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Erweckung im Urlaub

Dem Mann war vorgeworfen worden, mit seinen Internetauftritten Werbung für das Terrornetzwerk Al-Kaida und die radikalislamistische Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die vormalige Al-Nusra-Front, betrieben und zu Straftaten im Kampf gegen Ungläubige aufgerufen zu haben.

Den Angeklagten hatte – wie er dem Gericht darlegte – während eines Türkei-Urlaubes ein religiöses Erweckungserlebnis ereilt. Ein Taxifahrer habe ihn in eine Moschee gebracht: "Ich bin reingegangen und habe des Gefühl gehabt, ich bin zu Hause. Das war für mich ein Ankommen. Ich habe erstmals gebetet." Zurück in Wien, nannte sich der waschechte Österreicher fortan Erkan Said und besuchte mehrere Moscheen. Er habe "Gelehrte des Islam" kontaktiert, mit Imamen das Gespräch gesucht und auch mithilfe des Internets "zum Glauben gefunden", verriet der 59-Jährige.

Seit März in Untersuchungshaft

Am 2. März 2018 wanderte er in U-Haft, nachdem er dem Sprecher der Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ), Amer Albayati, eine Mail geschrieben und der Verfassungsschutz aufgrund dessen gegen ihn Ermittlungen aufgenommen hatte. In der Mail hieß es unter anderem "Fürchtet Allah, er wird richten über euch", weil die ILMÖ sich gegen das Kopftuchgebot ausgesprochen hatte. Albayati fasste das als Drohung auf, was der Angeklagte nicht gelten ließ.

"Unsere Gelehrte haben eine Kleidungsvorschrift erlassen. Erwachsenen Frauen ist es vorgeschrieben, die Haare zu bedecken", dozierte der 59-Jährige. Gewalt sei ihm aber fremd, er habe Albayati nicht einschüchtern wollen.

Wollte Glaubensrichtung vermitteln

Von der Anklage umfasst waren der Facebook-Account des Angeklagten sowie die Website "Pro-Islam-Austria", die er seit 2015 betrieben hatte. Dort wurden unter anderem diverse Terror-Anschläge gut geheißen, Österreich nach der Verurteilung des radikalislamitischen Hass-Predigers Mirsad O. als "Kuffar-Staat" und Diktatur bezeichnet und Andersgläubigen die "ewige Verdammnis" gewünscht. "Friedlich hört sich das für mich nicht an", bemerkte die vorsitzende Richterin. Er habe nur das übernommen, was Gelehrte verfasst hätten und auf seine Homepage gestellt, rechtfertigte sich der 59-Jährige: "Ich wollte meine Glaubensrichtung vermitteln. Ich bin ziemlich stark gläubig. Und wenn das ein Scheich schreibt... ich war gutgläubig."

"Vielleicht, weil ich dämlich bin"

Inkriminiert waren zudem Veröffentlichungen, mit denen der Holocaust bezweifelt beziehungsweise der Wunsch geäußert wurde, der Staat Israel möge "von der Landkarte verschwinden", weshalb in dem Verfahren auch der Verhetzungsparagraf und das Verbotsgesetz zum Tragen kamen, das nationalsozialistische Wiederbetätigung untersagt.

Der Postbeamte im Ruhestand hatte auch einen Youtube-Kanal unterhalten, wo er ein skurril anmutendes Video platzierte, das ihn mit Sonnenbrillen, einem um den Kopf geschlungenen Palästinensertuch und in einem eigenartigen Duktus zeigte. In seiner Rede an seine spärlichen Seher – das Video wurde bis zur Anklageerhebung 17 Mal abgerufen – sprach sich der Angeklagte in Predigermanier gegen die Verfälschung der "heiligen Bücher" aus.

"Da hab' ich probiert, ob jemand aufspringt auf das", meinte der Mann, nachdem das Video im Gerichtssaal abgespielt worden ist. Leider habe sich keiner dafür interessiert. "Ich plan' nie ein Schreiben, das kommt im Affekt", meinte er hinsichtlich der inkriminierten Texte. Auf die Frage nach dem Warum entgegnete er kleinlaut: "Vielleicht, weil ich dämlich bin." (APA, 22.11.2018)