Wien – Die Aufsichtsreform hat in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) Sorgen um ihre Unabhängigkeit ausgelöst. Die OeNB muss ja ihre Agenden (Vor-Ort-Prüfungen) an die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA abgeben. OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny sieht das sehr kritisch. Anlässlich der Bekanntgabe der Reform durch Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) und Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) am Dienstag konstatierte er, die Regierung tendiere dazu, die OeNB als "nachgeordnete Dienststelle" zu sehen. Und: "Wehret den Anfängen!", sagte er.

Heikles Pflaster

Den Worten folgten am selben Tag Taten, wie zu hören ist. Einen Brief des Finanzministers an die Nationalbanker schickte der OeNB-Chef postwendend zurück. Minister und Staatssekretär hatten die Anrede "Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!" gewählt, was im Haus auf dem Otto-Wagner-Platz als völlig unangemessen gewertet wurde. Die Nationalbank-Mitarbeiter seien keine Mitarbeiter des Finanzministeriums, stellte Nowotny bei Löger klar.

Die Reaktion des Ministeriums: Der Brief wurde noch einmal versendet. Diesmal mit der Anrede "Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der OeNB!" Inhaltlich teilte der Finanzminister den Leuten die Eckpunkte der Reform mit und ersuchte sie um konstruktive Mitarbeit. Sie mögen "auch in den kommenden Monaten Ihre Aufgaben in der tagtäglichen Aufsichtsarbeit gewissenhaft und in der gewohnten Qualität wahrnehmen".

Auftrag an FMA und OeNB

Die von Nowotny behauptete Tendenz der Regierung, die OeNB als weisungsgebundene Dienststelle zu betrachten, lesen Notenbanker auch aus dem Ministerratsvortrag zur Reform heraus. Um diesen Satz geht es: "Die FMA und die OeNB werden beauftragt, das Finanzministerium bei der gesetzlichen Umsetzung zu unterstützen ..." Tatsächlich dürfen im Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) nationale Zentralbanken keinerlei Weisungen entgegennehmen. Und auch die FMA ist weisungsfrei und unabhängig.

Übrigens hat auch die FMA den Ministerbrief bekommen, aber nicht zurückgeschickt. Wie es heißt, hätten ihn die Mitarbeiter dort als freundlichen Vorab-Informationsakt des Ministers gesehen und "sehr positiv aufgenommen". (Renate Graber, 23.11.2018)