Wer Gewalt im Elternhaus erlebt, wird sie eher weitertragen – in die Schule und überallhin sonst

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Härtere Strafen für Kinder braucht es, sagt der ÖVP-Polizeisprecher Karl Mahrer. Für jene Kinder und Jugendliche nämlich, die ihre Lehrer verletzen. Wie oft das bisher passiert ist, weiß man allerdings nicht. Nur so viel ist bekannt: 258 Gewaltdelikte an Wiener Schulen wurden im letzten Schuljahr angezeigt. Daraus lässt sich weder herauslesen, wer wen verletzt, noch wer wen anzeigt.

Von dem Dutzend Lehrern, mit denen DER STANDARD in den vergangenen Wochen gesprochen hat, erzählten nur zwei von Gewalt, die gegen sie gerichtet war. Keiner von beiden dachte nur eine Sekunde daran, das Kind anzuzeigen. Warum auch? Damit würde man es nur stigmatisieren, ihm die Zukunft verbauen und Steine in den Weg der ohnehin schweren Jobsuche legen. Was die Lehrer beschäftigt, ist vielmehr die Gewalt der Kinder untereinander – egal ob verbal oder körperlich.

Die Schwächsten nicht kriminalisieren

Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs hat Recht, wenn er sagt, es hat keinen Sinn, die Schwächsten in der Gesellschaft zu kriminalisieren. Wofür stattdessen Sorge getragen werden muss ist, dass Kinder nicht in einer Welt aufwachsen, in der Gewalt zum Alltag gehört.

Das beginnt dabei, ihnen von klein auf einen verantwortungsvollen Medienkonsum beizubringen und endet damit, Kinder von ihren Eltern zu trennen, wenn zuhause Gewalt Teil der Erziehung ist. Denn die Zahl der Kindergefährdungsmeldungen in Wien steigt. 2017 waren es fast 15.000 und damit ein Vielfaches der 258 angezeigten Gewaltdelikte an Schulen. Nicht nur traumatische Fluchterlebnisse oder fehlende Sprachfähigkeiten, auch häusliche Gewalt tragen zur Aggressionsneigung von Kindern bei.

Dagegen vorzugehen muss im Fokus der Politik stehen, nicht Anzeigen oder Bestrafungen. Denn wer Gewalt im Elternhaus erlebt, wird sie eher weitertragen – in die Schule und überallhin sonst. (Gabriele Scherndl, 23.11.2018)