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ben seit ihren Kurshochs rund eine Billion Dollar Börsenwert eingebüßt.

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Auf der Internetseite Stocktwits können sich Aktienanleger mit den jüngsten Börseninfos und Charts versorgen, aber auch einkaufen. Bestseller ist das T-Shirt mit dem Aufdruck "BTFD": "Buy the fucking dip" – steig ein, wenn die Kurse zwischenzeitlich absacken. Diese Börsenregel schien in den vergangenen Jahren ein todsicherer Tipp. Denn jedes Mal, wenn die Kurse nach schlechten Nachrichten fielen, ging es anschließend wieder umso flotter aufwärts.

Doch seit Anfang dieser Woche dürfte den Börsianern klar sein, dass die BTFD-Strategie Risiken birgt. Zwei Tage lang probten die US-Börsen den Ausverkauf. Am Dienstag war nichts mehr von den Kursanstiegen übrig, die der Dow-Jones-Index im Jahresverlauf angesammelt hatte. Besonders hart traf es die Technologiewerte. Die großen fünf, auch "FAANG" genannt – Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Googles Muttergesellschaft Alphabet -, verloren zwischenzeitlich rund eine Billion Dollar verglichen mit ihrem Höchststand. Allein Apple büßte gegenüber dem Oktoberrekord 20 Prozent ein. "Jeder liebte Apple bei 200 Dollar. Jetzt hassen es alle bei 180 Dollar", lästerte ein Händler in der Washington Post über die überstürzte Flucht der Anleger.

Wankende Zuversicht

Die heftigen Ausschläge zeigen, dass der lange währende Optimismus der Anleger ins Wanken gerät. Der Kursrückgang im Tech-Sektor wurde weniger von Problemen der Konzerne ausgelöst als von wachsenden Sorgen um die Konjunktur. Die Nachricht, dass der iPhone-Absatz nicht wie erhofft läuft, war Auslöser, nicht Grund für den Apple-Kurssturz. Zwar rate sie zur Zurückhaltung bei FAANG, sagte Kristina Hooper vom Fondsanbieter Invesco. "Man sollte aber nicht alle über einen Kamm scheren." Es half nichts.

Für viele Beobachter funktionieren Tech-Aktien als Frühwarnsystem – wie der Kanarienvogel in der Mine, der von der Stange fällt, wenn die Luft giftig wird. "2018 ist klar kein Rezessionsjahr, aber die Märkte kündigen lautstark schlechte Nachrichten an", glaubt die Investmentbank Morgan Stanley. Dabei scheint auf den ersten Blick alles bestens. Die US-Konjunktur boomt, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit einem halben Jahrhundert nicht, im dritten Quartal wuchs die Wirtschaft mit 3,5 Prozent auf Jahressicht, und die Steuerreform hat die Konzerne massiv entlastet. Läuft es so weiter, wird die Wirtschaft 2019 einen weiteren Rekord brechen: Im Juli wäre dies der längste Aufschwung der US-Geschichte.

Viele Ökonomen argwöhnen, dass das Beste vorbei ist. Die Weltwirtschaft verliert an Fahrt, unter sinkender globaler Nachfrage werden auch US-Konzerne leiden. Zusätzlichen Steuerentlastungen werden die Demokraten im Kongress kaum zustimmen, und der Handelskrieg gegen China verteuert Waren in den USA, was die Kauflaune bremsen dürfte. "Am Ende wird es eine Rezession geben, und man ist gut beraten, sich jetzt auf die Periode vorzubereiten, die zum Abschwung führt", sagte der Investmentexperte Scott Minerd von Guggenheim Partners der Financial Times.

Triebfedern als Bremsklötze

Viele Anleger scheinen das genauso zu sehen. Und schon allein wegen ihrer hohen Bewertung reißt jeder Rückgang der FAANG-Aktien den Gesamtmarkt mit nach unten. So wie die Tech-Aktien den Markt zuvor von Rekord zu Rekord getrieben haben, können sie den Abschwung beschleunigen.

US-Präsident Donald Trump aber hat seinen Schuldigen schon gefunden: die US-Notenbank. Für ihn ist der jüngste Börseneinbruch nur "ein Fed-Problem". Die Notenbank müsse die Zinsen senken, damit die Wirtschaft in Fahrt bleibe, verlangt Trump. Fed-Chef Jerome Powell stellt sich auf diesem Ohr bislang jedoch taub. Im Dezember wird die Fed die Zinsen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein weiteres Mal anheben.

In einem sind sich die meisten Experten einig: An den Finanzmärkten wird es turbulent bleiben. 2018 zahle sich die "Buy the dip"-Strategie für die Anleger zum ersten Mal seit 16 Jahren nicht aus, hat Morgan Stanley berechnet. Die "BTFD"-Shirts von Stocktwits dürften nächstes Jahr wohl zum Ladenhüter werden. (Ines Zöttl, 24.11.2018)