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Ist die SPÖ reif für eine Frau an der Spitze? Diese Frage stellt sich zunächst einmal wegen des Parteitags in Wels, auf dem die Delegierten mit Pamela Rendi-Wagner erstmals in der 130-jährigen Geschichte der Partei eine Vorsitzende zur Wahl haben.

Die Frage stellt sich auch wegen Georg Dornauer junior. Der 35-jährige Bürgermeister von Sellrain galt bis vor kurzem als Zukunftshoffnung der Tiroler SPÖ – vielleicht auch deshalb, weil er sich selbst so lange in Stellung brachte, bis Konkurrentin Elisabeth Blanik freiwillig das Feld räumte. Nun, kaum im Amt, fiel er gleich durch eine sehr unlustige Zote auf.

Nun könnte man sagen (und Mann sagt das auch, nicht nur in der SPÖ), ein einziger sexistischer "Ausrutscher" dürfe nicht zu ewiger politischer Verdammnis führen – noch dazu, da sich Dornauer ja gleich entschuldigt habe. Dann hätte man freilich bei anderen unlustigen Zoten von Politikern anderer Parteien – zum Beispiel Efgani Dönmez, zuletzt ÖVP – weitaus weniger empört reagieren dürfen. So wirkt diese Rechtfertigung reichlich absurd.

Abgesehen davon: Auch kernige Tiroler Mander müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass horizontale Witze auf Kosten von Frauen ausgedient haben. It's 2018, stupid.

Es ging gleich munter weiter: Kaum hatte Rendi-Wagner Dornauers Auslassung als "inakzeptabel" bezeichnet und versichert, dieser werde daher künftig keine Rolle in der Bundespartei spielen, fuhr ihr der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl in die Parade. Der junge Kollege aus Tirol verdiene eine zweite Chance, richtete er ihr gönnerhaft aus – zur Sicherheit gleich öffentlich. Offen blieb, ob dies als Unterstützung für oder Kritik an Rendi-Wagner gemeint war – eine unangenehme Doppelbödigkeit im Vorfeld des so wichtigen Parteitags.

Zurückhaltung

Die Niessl'sche Wortmeldung zeigt jedenfalls: Rendi-Wagners leise Herangehensweise an ihren neuen Job, ihre Zurückhaltung und ihr Bemühen, wichtige (männliche) Granden nicht vor den Kopf zu stoßen, haben offenbar nicht viel geholfen. So manch einer fremdelt noch immer damit, dass nun eine Frau an der Spitze der Partei steht. Und daher auch sagt, wo es langgeht in der SPÖ.

In einigen sozialdemokratischen Köpfen sieht die neue Ordnung offenbar so aus: Rendi-Wagner darf ihren Kopf für alles hinhalten, was schiefläuft, aber bestimmen oder gar verändern darf sie nicht. Vor allem die Ländergranden im Burgenland, in Kärnten, der Steiermark und Wien haben das von Beginn an sehr deutlich gemacht – bisweilen gekoppelt mit der "Sorge", Klub- und Parteivorsitze könnten zu viel für sie sein.

Hier ist ein roter Reifeprozess vonnöten. Die mächtigen Männer in der SPÖ müssen begreifen, dass sie Rendi-Wagner unterstützen müssen – ohne Vorbehalt. Sie ist die vielleicht letzte Chance der taumelnden Partei, rasch wieder in Schwung zu kommen. Sie hat das Zeug dazu, breite Wählerschichten anzusprechen. Sie kann moderne sozialdemokratische Politik verkörpern: für Frauen, Familien, Akademikerinnen, Menschen mit sozialem Gewissen, neue Selbstständige, Österreicher mit Migrationshintergrund, Bobos und Bürgerliche.

Dafür muss sie erst alte Parteizöpfe abschneiden, Gewerkschaftsdogmen kippen, "heilige" Traditionen brechen. Das ist nicht unmöglich. Aber Rendi-Wagner kann das nicht allein. Sie braucht dafür die starken Männer in der SPÖ hinter sich – nicht gegen sich. (Petra Stuiber, 23.11.2018)