Die FPÖ hat in ihrer Programmatik die populistische Rhetorik, die unter Jörg Haider noch sehr prominent war, zurückgeschraubt und dafür seit 2005 die nativistischen Elemente entschieden verstärkt.

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Ja, schon gut, ich weiß. Ich gehöre selbst zu den Leuten, die den Begriff "Rechtspopulismus" ausführlich gebrauchen – gerade auf den Seiten dieses Blogs (siehe etwa hier, hier oder hier). Und er ist ja auch nicht per se unrichtig. Sein Manko ist allerdings, dass er den inhaltlichen Schwerpunkt falsch setzt.

"Rechtspopulismus" impliziert, dass "Populismus" (ein Verständnis von Politik als Konflikt zwischen dem "wahren Volk" und einer "korrupten Elite", siehe hier) das zentrale Phänomen wäre, um das es geht. Die Erweiterung um "Rechts-" definiert dann nur, um welche Art von Populismus es sich handelt. Das ist aber eine wenig sinnvolle Konzeption.

In der internationalen politikwissenschaftlichen Debatte (die natürlich auf Englisch geführt wird) hat sich mittlerweile der von Cas Mudde geprägte Begriff "populist radical right" etabliert (eine wirklich gute deutsche Übersetzung davon ist mir noch nicht untergekommen). Nach Muddes Definition bedeutet "populist radical right", dass eine Partei in ihrer Ideologie drei Elemente vereint: Nativismus, Autoritarismus und Populismus – wobei Nativismus den innersten Kern der Ideologie ausmacht.

Gerade die FPÖ hat in ihrer Programmatik populistische Rhetorik, die unter Jörg Haider noch sehr prominent war, zurückgeschraubt und dafür nativistische Elemente seit 2005 viel stärker gemacht als noch in den Neunzigern (siehe etwa hier). Und auch in puncto Wahlverhalten hat Nativismus für die Wahlentscheidung pro FPÖ eine viel höhere Erklärungskraft als Populismus.

Die Grafik unten zeigt, wie sich die Wahrscheinlichkeit, die FPÖ zu wählen, 2017 mit den Werten der Befragten auf einem Zuwanderungs- und einem Populismusindex verändert. Die beiden Indizes verlaufen von 0 bis 1, wobei niedrigere Werte liberalere Zuwanderungseinstellungen bzw. geringe Neigung zum Populismus bedeuten und höhere Werte restriktivere Zuwanderungspräferenzen bzw. stark ausgeprägten Populismus. Die genaue Konstruktion der Indizes kann man hier nachlesen.

Für Zuwanderung wie auch für Populismus gilt: je weiter rechts auf der Skala (das bedeutet stärkere Ablehnung von Zuwanderung bzw. stärker populistische Einstellungen), desto höher die Wahrscheinlichkeit, die FPÖ zu wählen. Allerdings ist der Zuwanderungseffekt deutlich stärker als der Populismuseffekt. Hier steigt die Wahrscheinlichkeit der FPÖ-Wahl bei den Befragten mit der größten Zuwanderungsskepsis auf 70 Prozent an. Beim Populismusindex gibt es im besten (d. h. extremsten) Fall nur eine Wahrscheinlichkeit der FPÖ-Wahl von 18 Prozent.

Dazu muss man wissen, dass in dem statistischen Modell hinter diesen Wahrscheinlichkeiten beide Indizes gleichzeitig enthalten sind. Die abgebildeten Wahrscheinlichkeiten sind demnach Nettoeffekte, sie gelten also bereits nach Kontrolle für den jeweils anderen Index.

Anders gesagt: Die dargestellten Wahrscheinlichkeiten gelten für Personen, die auf dem jeweils anderen Index den Durchschnittswert aufweisen. Die 18 Prozent ganz rechts an der Populismuskurve sind also deswegen so niedrig, weil sie für Personen mit "durchschnittlichen" Zuwanderungseinstellungen gelten. Wer also zur Zuwanderung weder besonders linke noch besonders rechte Meinungen hat (wobei der Mittelwert für den Index bei 0,6 liegt), den bringen auch stärkste populistische Einstellungen nur begrenzt dazu, die FPÖ zu wählen. Wer aber mittelmäßig populistisch eingestellt ist (Index-Mittelwert: 0,55), der macht bei stark nativistischen Haltungen dennoch mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Kreuz bei der FPÖ.

Der langen Rede kurzer Sinn: Nativismus ist ein viel stärkerer Motor für die Zustimmung zur FPÖ als Populismus. Und das gilt wohl auch umgekehrt: Wer der FPÖ ablehnend gegenübersteht, stößt sich ja meist an ihren nativistischen Positionen, nicht an ihrem Populismus.

Wenn also die Ideologie einer Partei im Kern nativistisch ist und ihre Wähler sie vor allem wegen ihres Nativismus wählen, dann sollten wir dem auch begrifflich Rechnung tragen. Machen wir es also wie in der Leberkäsewerbung: Sagen wir nicht mehr "Rechtspopulismus"!