Hass im Netz betreffe vor allem Frauen.

Foto: APA/dpa/Lukas Schulze

Wenn Hass und Sexismus im Internet beigekommen werden soll, dann ist dafür ein breites Maßnahmenpaket vonnöten. Dessen waren sich die Expertinnen einer anlässlich der Aktion "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" veranstalteten Podiumsdiskussion am Montagabend in Wien einig. Ein Großteil der Verbalattacken im Netz richtet sich gegen Frauen, Muslime und Geflüchtete.

In den 1990er-Jahren herrschte der Glaube vor, das Internet eröffne die Welt, erinnerte sich Eröffnungsrednerin und Bundesratspräsidentin Inge Posch-Gruska (SPÖ) bei der Veranstaltung im Parlament zurück. Mittlerweile habe es sich allerdings zu einem Moloch entwickelt, der Menschen gläsern und damit angreifbar werden lasse. Die Fragen, worauf manche der negativen Effekte des Internets – konkret Sexismus und Hass – zurückzuführen sind und wie sie sich bekämpfen lassen, war in der Folge Anlass der Podiumsdiskussion. Gabriele Heinisch-Hosek, Frauensprecherin der SPÖ, hat ein Impulsreferat gehalten.

Beratungsstelle gegen Hass im Netz

Der online stattfindende, rücksichtslose Umgang untereinander sei mitunter auf das fehlende menschliche Gegenüber zurückzuführen, erklärte Caroline Kerschbaumer, Leiterin der ZARA-Beratungsstelle gegen Hass im Netz. "Gibt es keinen Augenkontakt, wird das schnell zum Problem." Dem schloss sich Barbara Buchegger von der Organisation Safer Internet an: "Empathie fehlt online sehr häufig." Wobei Jugendlichen wesentlich öfter klar sei, dass sie im Inbegriff sind, eine Gemeinheit zu posten. Erwachsene würden oft unreflektiert zur Tat schreiten, erklärte Buchegger.

Ziel der Täter sei es Stillschweigen zu erzwingen und die Betroffenen zu demütigen, sagte Kerschbaumer. Oftmals existiere bei den Betroffenen eine hohe Hemmschwelle, Vorfälle zu melden. Doch nur so könne Bewusstsein für die problematischen Ausmaße von Hass und Sexismus im Netz geschaffen werden. Das Bewusstsein dürfte jedoch im Wachsen begriffen sein. Das führt die Expertin auf die im vergangenen Monat höchste gemeldete Fallzahl von Hass im Netz seit Eröffnung der ZARA-Beratungsstelle zurück.

Vor Gericht gehen anstrengend

Wie am besten auf die Attacken im Netz reagiert werden soll, müsse persönlich abgewogen werden, erläuterte Erza Aruqaj, stellvertretende Obfrau von The Sorority – einer Plattform zur Vernetzung von Frauen. Ihre Erfahrung zeige jedoch, dass sich viele Onlinetäter "mit viel Geduld schrittweise durchaus zur Besinnung bringen lassen". Vor Gericht zu gehen – worum es etwa unlängst bei dem Fall um die ehemalige Grünen-Abgeordnete Sigi Maurer als Reaktion auf beleidigende und sexistische Onlinenachrichten ging – empfinden viele Betroffene hingegen als zu anstrengend oder können es sich schlichtweg nicht leisten. Zudem drohe wie im Falle Maurers, dass das Verfahren nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt. Für ZARA-Leiterin Kerschbaumer zeigte der vorläufige Ausgang des Prozesses, zu welchen absurden Ergebnissen Hass im Netz führen könne. Elisabeth Lechner, Vertreterin des Frauenvolksbegehrens erkannte im – noch nicht rechtskräftigen – Urteilsspruch, dass es "dem Patriarchat noch viel zu gut" gehe. Auch werde durch den Maurer-Prozess eine extreme Doppelmoral in der Gesellschaft sichtbar. Den auf das Urteil folgenden Aufschrei hätte es nur gegeben, weil Maurer privilegiert sei. "Bei Frauen mit Kopftuch regt sich in solchen Fällen nichts", meinte Lechner.

Maßnahmen notwendig

Um Hass und Sexismus im Netz aktiv entgegenwirken zu können, brauche es unweigerlich Maßnahmen, wusste Kerschbaumer – angefangen von finanzieller Unterstützung für Beratungsangebote bis hin zu rechtlichen Forderungen, wie etwa einer Anpassung des Cybermobbingparagrafs, der in der Praxis kaum greife. Eine Klarnamenpflicht für Onlineforen habe in ihren Augen hingegen wenig Sinn. "Die meisten Täter schreiben ohnehin mit ihrem echten Namen. Eine Klarnamenpflicht würde das Problem nicht beseitigen."

Für Lechner ist klar, dass ein Ausbau von staatlich finanzierten Beratungs- und Betreuungszentren gegen Hass und Gewalt an Frauen nötig sei. "Es braucht Geld und hier wäre es besser investiert als in Polizeipferde", forderte sie. Buchegger betonte, dass es verpflichtende Schulungen für Lehrer brauche, damit sie Ahnung von der digitalen Welt entwickeln würden. Auch Eltern könnten von derartigen Förderprogrammen profitieren, fügte sie hinzu. Aruqaj merkte an, dass wir alle genauer hinschauen und Zivilcourage an den Tag legen sollten. "Das Internet ist da, es geht nicht mehr weg, nutzen wir es bestmöglich." (APA, 27.11.2018)