Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl hält Eignungstests für Kammerfunktionäre für "undemokratisch".

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Wien – 651 Sozialversicherungsvertreter – also fast zwei Drittel aller Kassenfunktionäre – haben seit gestern Abend Post von der Arbeiterkammer in ihrem Maileingang. In dem von Kammerpräsidentin Renate Anderl und allen Länderkammerchefs unterzeichneten Schreiben, das dem STANDARD vorliegt, werden die Arbeitnehmerdelegierten zum Protest gegen die Sozialversicherungsreform der Bundesregierung aufgerufen. Konkret sollten die Funktionäre gegen den Eignungstest aufbegehren, den Vertreter künftig ablegen müssen, empfiehlt Anderl.

Fraktionsübergreifender Protest

"Wir wollen, dass Sie auch in Zukunft weiter tätig sein können", steht in dem Brief. Deshalb müsse die "überstürzte" Reform, durch die eine "Dreiklassenmedizin" drohe und mit der die "Nähe zu den Menschen" verloren gehe, verhindert werden. Im Anhang findet sich ein vorgefertigtes Protestschreiben, das sich an die Sozialsprecher aller Parteien richtet – als "Vorschlag" der Arbeiterkammer, wie die Funktionärinnen, die nur noch ihren Namen einfügen müssten, ihren Unmut äußern könnten. Am Donnerstag tagt der Sozialausschuss des Nationalrats zur Kassenreform, da könnten Passagen des Gesetzes noch geändert oder gestrichen werden.

Hinter dem Brief der Arbeiterkammer stehen mit den Präsidenten von Tirol und Vorarlberg auch zwei schwarze Länderkammerchefs. In Wien lehnen ebenfalls sämtliche Fraktionen – also auch die der ÖVP sowie die freiheitlichen Arbeitnehmer – die Reformvorhaben der türkis-blauen Regierung ab.

Die geplanten Eignungstests für Kassenfunktionäre stoßen der Arbeiterkammer deshalb sauer auf, weil dadurch vor allem Betriebsräte und Gewerkschafter aus den Gremien der Sozialversicherung vertrieben würden. Im Gesetzesentwurf war noch zu lesen, dass all jene von der Prüfung befreit werden, die ein Wirtschafts- oder Jusstudium abgeschlossen oder Erfahrung als Geschäftsführer haben. Ergo: die meisten Wirtschaftskammerfunktionäre. Nach Kritik wurde das herausgenommen, allerdings der Sozialministerin eingeräumt, Ausnahmen dann noch per Verordnung zu erlassen.

Angriff auf Arbeitnehmer

Ab 1. April 2019 soll die Funktionärsschaft der Sozialversicherung jedenfalls komplett ausgetauscht werden: In dem ab dann eingesetzten Überleitungsgremium dürfen bis dahin aktive Delegierte nicht mehr vertreten sein. Die Neuen müssen ab 2020 – insofern sie nicht ausgenommen sind – einen Test in sieben Prüfungsfächern vor einem Gremium aus Vertretern von Sozial- und Finanzministerium ablegen. Ein "Angriff auf die Arbeitnehmer", ist Anderl überzeugt.

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker erklärte am Mittwochnachmittag via Twitter, bereits "massenhaft Mails von Funktionären" bekommen zu haben. Allerdings mit dem Nachsatz: Keine Eignungsprüfung machen zu wollen, sei keine "Werbung für deren Qualifikation". (Katharina Mittelstaedt, 28.11.2018)