Javier Valdez wurde am 15. Mai 2017 erschossen. Kurz darauf wurde versucht, seinen Kollegen Spyware unterzujubeln.

Foto: AFP

Für Journalisten ist Mexiko ein gefährliches Pflaster. 2017 wurden allein 2013 Ermordungen von Medienmitarbeitern dokumentiert, was das Land in dieser traurigen Rangliste auf den ersten Platz vor Afghanistan befördert. Auch wenn es Seitens verschiedener Regierungen immer wieder Bemühen gegeben hat, Korruption und organisierte Kriminalität zu bekämpfen, gehen Pressevertreter bei Recherchen zu Verbrechen, Wirtschaftskriminalität oder behördlichem Machtmissbrauch oft ein hohes Risiko ein.

Und so war es auch bei Javier Valdez, der am 15. Mai 2017 in Culiacan, der Hauptstadt des Bundesstaates Sinaloa, erschossen wurde. Schon am Folgetag erreichte Kollegen von ihm eine überraschende Nachricht auf ihren Handys. Der Mörder sei gefasst worden. Die Journalisten waren skeptisch und klickten den enthaltenen Link nicht an. Zurecht, denn es handelte sich um einen Angriff mit Spyware, wie die New York Times berichtet. Tatsächlich wurde erst im vergangenen April ein erster Verdächtiger festgenommen.

Spyware statt Meldung

Wie eine Untersuchung durch Experten von der University of Toronto ergab, führte der Link nicht zu einer Polizeimeldung oder einem Nachrichtenartikel, sondern zu einer Malware namens "Pegasus". Diese wurde von der mexikanischen Regierung aus Israel erworben. Sie soll in der Lage sein, sich in verschlüsselte Chats einzuklinken, E-Mails mitzulesen oder auch Kamera und Mikrofon aus der Ferne zu aktivieren.

Ismael Bojorquez, Newschef bei Valdez‘ einstigem Arbeitgeber Rio Doce, vermutet, dass die Behörden in den Nachrichten der Journalisten nach Hinweisen auf die möglichen Mörder suchen wollten. Er spricht sich jedoch dagegen aus, illegal erbeutete Informationen im Rahmen einer Fahndung zu nutzen. Offiziell ist die Überwachung von Kommunikation nur über einen Gerichtsbeschluss erlaubt.

Sie waren aber nicht die einzigen Ziele solcher Abhörversuche. In den vergangenen anderthalb Jahren seien mehrere bekannte Journalisten, Menschenrechtsanwälte und Aktivisten zum Ziel solcher Spionage geworden. Erstmals entdeckt wurde sie, als sie gegen Unterstützer einer landesweiten Steuer auf Softdrinks zum Einsatz kam.

Untersuchung liegt brach

Die mexikanische Regierung reagierte auf diese im Juni 2017 veröffentlichten Enthüllungen. Sie verurteilte die Spionageangriffe und startete eine Untersuchung. Diese kam im letzten Februar ohne einer einzigen Anklage vorläufig zum Erliegen. Man habe alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgereizt, hieß es. Die Experten aus Toronto zeigten sich skeptisch. Ein ehemaliger Ermittler der Staatsanwaltschaft gab zu Protokoll, dass es "sehr wahrscheinlich" sei, dass die Verantwortlichen für den Missbrauch der Spyware die Untersuchung massiv behindert hätten.

Das erscheint realistisch. Denn aus einer Akten aus der Untersuchung soll hervorgehen, dass die Staatsanwaltschaft für den Ankauf von "Pegasus" verantwortlich war. Und dort wurde auch die Ermittlung über ihren illegalen Einsatz geführt. Die Behörde ermittelte also gegen sich selbst.

Ein guter Teil der Dokumente bestünde aus Antworten von rund 2.000 Gemeinden, die befragt worden seien, ob sie im Besitz der Malware seien. Viele davon kleine Orte, die nicht einmal ansatzweise das Budget besitzen, um ein solches Überwachungssystem anzuschaffen. Betroffene der illegalen Abhörung sind mittlerweile vor Gericht gezogen.

Umbruch

Es ist nicht der einzige Skandal, der in die Amtszeit von Präsident Enrique Peña Nieto fällt. Er ist seit Dezember 2012 das amtierende Staatsoberhaupt des Landes. Die Wahlen im Juli führten jedoch zu erdrutschartigen Veränderungen.

Die über Jahrzehnte dominierende Partei von Nieto, PRI (sozialdemokratisch), und auch die ebenfalls mächtige PAN (christdemokratisch) erlitten empfindliche Schlappen. Der von einem Bündnis aus PT (Arbeiterpartei), Morena (Linke) und PES (evangelikale Rechte) aufgestellte Andres Manuel Lopez Obrador errang schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Ob die neue Regierung, die im Dezember ihr Amt antritt, die Ermittlungen fortsetzen und Maßnahmen für den Schutz von Journalisten setzen wird, bleibt abzuwarten. (red, 27.11.2018)