Der britische Seefahrer James Cook starb 1779 während eines gewaltsamen Streits mit hawaiianischen Indigenen. Von seinen Entdeckungsreisen in die Südsee brachte er tausende Kunstwerke, religiöse Kultobjekte und Alltagsgegenstände nach London. 30.000 Stück wurden 1806 von einem Gesandten des Habsburger-Kaisers Franz I. ersteigert und landeten in Wien. Damals ein "Schnäppchen", heute ganzer Stolz des Wiener Weltmuseums.

Das frühere Völkerkundemuseum besitzt über 250.000 ethnografische Objekte, von denen jedes einzelne eine ähnlich komplexe Herkunftsgeschichte zu erzählen hat. In der Regel bediente sich Österreich am Sekundärmarkt. Es wurde gekauft, getauscht, man erhielt Schenkungen. Wie viel Blut aber an den durch viele Hände gewanderten Objekten klebt, ist allein aufgrund der großen Masse und vielfach fehlender Dokumente kaum erforscht.

Die Diskussion über allfällige Rückgaben an ehemals kolonialisierte Staaten wird geführt, seit der Westen dazu übergegangen ist, sich seinen Verbrechen zu stellen. Aufs Tempo drückt nun Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der auch die Schaffung eines internationalen Regelwerks zum Umgang mit kolonialem Raubgut ins Auge fasst.

Mitten im Transformationsprozess

Alle europäischen Staaten sind gefordert, sich an der Initiative zu beteiligen. Analog zu den Washingtoner Prinzipien, die seit 1998 den Umgang mit NS-Raubkunst regeln, braucht es auch hier ein Regelwerk. Es muss definiert werden, welche Sammlungsbestände prioritär zu beforschen sind, wo die Grenzen gezogen werden, welche Lösungen man abseits von Rückgaben mit den Herkunftsregionen erarbeiten kann. Bei Frankreich werden sich wohl auch die Grenzen der Rückgabebereitschaft zeigen. Auf die Bewertung der napoleonischen Raubzüge innerhalb und außerhalb Europas darf man gespannt sein.

Das Wiener Weltmuseum hat mit der Neuaufstellung vor einem Jahr einen Teil seiner Hausaufgaben bereits gemacht: Der kolonialkritische Blick durchzieht die gesamte Ausstellung, ein Saal ist ausschließlich der Debatte gewidmet, den Objekten wurden Kommentare der Herkunftscommunitys zur Seite gestellt. Zu einer Rückgabe kam es 2015, als rituelle Maori-Gebeine an Neuseeland restituiert wurden.

Man ist also bereits mittendrin in einem Transformationsprozess, den alle völkerkundlichen Museen dringend nötig haben. Ziel soll nicht sein, diese leerzuräumen. Statt um Rückgaben in Bausch und Bogen muss es um wissenschaftliche Partnerschaften mit Museen ehemals kolonialisierter Länder auf Augenhöhe gehen. Das kann – so gefordert und berechtigt – Rückgaben beinhalten oder auch Abkommen, die Objekte in die Rotation schicken.

Voraussetzungen dafür sind ein Ende arroganter europäischer Besitzansprüche und die massive Aufstockung der Mittel für Provenienzforschung. Die Museen müssen die Chance im schweren Erbe, das sie verwalten, erkennen: Sie müssen zu Zentren der Erforschung und Vermittlung der immer noch zu wenig beachteten Kolonialgeschichte werden. (Stefan Weiss, 28.11.2018)