Während der Zugang zum Asowschen Meer zu heftigen Scharmützeln führt, werden in der Ostsee friedlich Rohre verlegt. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Einiges. Von Deutschland aus wächst nämlich stetig die Gaspipeline Nord Stream 2 in Richtung Russland. Die Leitung wird die ohnehin schon riesigen Gasexporte der Gazprom nach Europa und damit die Abhängigkeit der EU von Moskau deutlich erhöhen. Gleichzeitig schrumpft damit der politisch sensible Transit des Energieträgers durch die Ukraine.

Sobald die neue Pipeline eröffnet ist, verliert Kiew einen wichtigen Trumpf in den ständigen Gefechten mit Moskau. Das hört sich bedrohlich an, wenn man sich die ständigen Aggressionen Russlands vor Augen führt. Wie rabiat wird Putin erst gegen die Ukraine, wenn Kiew auch das Druckmittel Gastransit verloren haben wird?

Dieser Zusammenhang sollte europäischen Regierungen zu denken geben, tut er aber nicht. In Berlin, aber auch in Wien setzt man trotz der ohnehin schon immensen Abhängigkeit von russischem Gas auf einen Ausbau der Lieferungen. Die postulierte Diversifizierung der Energieversorgung besteht nicht einmal auf dem Papier.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Regierungen orientieren sich hauptsächlich an wirtschaftlichen Interessen, die in Österreich wiederum von der OMV diktiert werden. Der heimische Energiemulti gehört zu den Trägergesellschaften von Nord Stream 2, auch bei der Förderung baut der Konzern seine russischen Aktivitäten massiv aus.

Die Regierung ist dabei gerne behilflich. Vier Treffen hat es allein heuer zwischen Sebastian Kurz und Wladimir Putin gegeben – das sorgt international für Verwunderung. Auch in Brüssel, wo man Nord Stream 2 überaus kritisch sieht. Die jüngste Kreml-Aggression wäre ein guter Anlass, den Primat des Gases über die Politik zu beenden. (Andreas Schnauder, 28.11.2018)