Schade. Die Kammeroper war doch, als sie noch vom famosen Sebastian F. Schwarz geleitet wurde, ein Ort, an dem szenische Kreativität eine feste Heimstatt hatte. Und jetzt das: Für Verdis Don Carlos hat man den jungen Regisseur Sébastien Dutrieux engagiert, der das Drama in einem ergrauten Salon spielen lässt, der so ausschaut, als hätten sich in ihm schon 100 Tschechow-, 50 Ibsen- und ein paar zerquetschte Schnitzler-Dramen ereignet (Bühne: Dutrieux und Agnes Hasun). Quasi: Christian Schmidt & Johannes Leiacker light. Macht das Sinn, wenn die Ästhetik des Theaters an der Wien in der kleinen Kammeroper kopiert wird?

In diesem Einheitsambiente leiden die Mitglieder des Jungen Ensembles des Theaters an der Wien in geschmackvoll-elegant-zeitloser Kleidung (Kostüme: Constanza Meza-Lopenandia) nach Kräften und singen ihre Duette an der Rampe parallel ins Publikum wie seit gefühlten Jahrtausenden an der Wiener Staatsoper. Nein, sich anschauen, das tut man nicht.

Als im ersten Akt – man spielt an der Kammeroper den gekürzten französischen Don Carlos mit Einsprengseln aus der Mailänder Fassung – der spanische Infant und Elisabeth erstmals im Park von Fontainebleau (den man sich in seiner Pracht vorzustellen hat) aufeinandertreffen, platziert der Regisseur das Liebespaar so weit voneinander entfernt, wie es die kleine Bühne zulässt. Soll dem Publikum wohl etwas sagen. Aber was?

Die Kammerorchesterfassung von Panos Iliopoulos und Florian C. Reithner wirkt anfangs etwas ärmlich, birgt aber auch intensive Momente. Im zweiten Teil bringt Dirigent Matteo Pais im Gräbchen das Wiener Kammerorchester auf eine höhere Betriebstemperatur, schürt Glut im grauen Seelenkerker. Ausdrucksvoll das Cellosolo vor Philippes Arie im vierten Akt. Oben auf der Bühne offerieren der kultivierte Ivan Zinoviev (als Großinquisitor) und Dumitru Madarasan (Philippe II.) Lautstärke als Druckmittel. Rückkehrer Andrew Owens gelingt es trotz akuter Indisponiertheit, die kämpferische Seite des Titelhelden zu transportieren. Nobel der Posa von Kristján Jóhannesson; die innige Freundschaft mit Don Carlos kommt kaum über die Rampe.

Die weich singende Ilona Revolskaya gibt einen bezaubernd jungenhaften Thibault, der durchschlagskräftigen Tatiana Kuryatnikova liegt die dramatische Seite der Eboli mehr als die laszive. Die stimmigste Leistung der Produktion bietet Jenna Siladie, deren wunderschöne Elisabeth auf vokalem Gebiet Eleganz, Fülle, Wärme und Leuchtkraft vereint. Premierenjubel. (sten, 29.11.2018)