Gebhard Ottacher führt jetzt die Geschäfte, Walter Emberger (60) ebnet holprige Wege und baut an größeren Dimensionen.

Foto: David Blacher

"Ich habe Teach for Austria vor sieben Jahren gegründet. Damals war ich 53 – ich wurde also spät Unternehmer. Studiert habe ich Betriebs- und Volkswirtschaft. Ich war dann im Bankbereich und in der Unternehmensberatung tätig. Ich habe dann in den Bildungsbereich gewechselt, war Studiengangsleiter an der FH Salzburg, dann Vizerektor einer Privatuniversiät. In dieser Zeit habe ich sehr deutlich gesehen, wie die Gesellschaft in der Bildung auseinandergeht. Ich finde, dass sich ein so reiches Land wie Österreich es nicht leisten darf, dass jeder Fünfte nach der Pflichtschule nicht sinnerfassend lesen kann.

Das Modell für Teach for Austria habe ich in England gesehen, und ich habe sofort für mich erkannt, dass wir das brauchen.

Heuer sind wir im siebenten Jahrgang mit 55 neuen Fellows in Polytechnischen Schulen und in Neuen Mittelschulen. Wir wären gern auch in Volksschulen, weil wir glauben, dort einen positiven Beitrag leisten zu können. Je früher Kinder engagierte Lehrkräfte haben, desto mehr Präventionsarbeit kann man machen. Je älter die Kinder, desto mehr Reparaturarbeiten sind nötig.

Bei der Gründung musste ich mir einen Meilenstein setzen – dass es ungeheuer viel Arbeit wird, war ja klar. Dieser Meilenstein war: Mit 60 übergebe ich operativ. Ich habe so viele interessante Leute in diesen sieben Jahren kennengelernt wie vorher gesammelt nicht. Als ich 30 war, habe ich in einer Schweizer Unternehmensberatung mit sehr hoher Arbeitsdichte gearbeitet, quasi als Workaholic, ich dachte mir: nie wieder!

Dauereinsatz mit Sinn

Diesen Dauereinsatz hier habe ich aber nicht als so belastend empfunden, weil der Zweck so klar war – wir können Lebenswege verändern!

Die Übergabe haben wir vor zwei Jahren geplant und dann abgearbeitet. Eine Führungskraft muss die Nachfolge sorgfältig regeln – warum das so selten funktioniert, weiß ich nicht, aber eine endgültige Beurteilung einer Führungskraft sollte die langfristige Beständigkeit der Organisation sein.

Wie groß wir in Österreich werden können? Derzeit sind knapp 100 Fellows im Einsatz. Für 2022 sollen es 180 sein. Das hängt vom Bedarf ab und davon, wo wir gewollt werden. Es geht ja demnächst ein ganzer Schwung Lehrpersonal in Pension, viele können und wollen auch nicht mehr – ich verstehe das sehr gut.

Engpässe für uns sind die Finanzierung und die Leute – zwei Jahre Ausbildung und Begleitung kosten etwas. Fellows brauchen einen Studienabschluss, um von der Behörde akzeptiert zu werden, und ältere Bewerber haben oft zu hohe Opportunitätskosten, sie haben also das Gefühl, auf zu viel zu verzichten. Ich hätte auch gern viel mehr Leute mit technischem Hintergrund – aber oft reichen die pädagogischen Fähigkeiten, die wir brauchen, nicht aus.

Das steht auch auf meiner Liste – wenn jemand mitmachen und eine Art Teach Next in die Welt bringen will, dann helfe ich gern; natürlich ist da enormes Potenzial bei Älteren. In anderen Ländern klappt das auch gut, in England, in Israel. In Großbritannien etwa hat eine Kolumnistin der "Financial Times", Lucy Kellaway, mit Mitte 50 umgesattelt, es haben sich 40 Menschen aus unterschiedlichen Karrieren, etwa Partner von Anwaltskanzleien, dafür begeistert, das auch gleich zu tun. Kellaway schreibt auch darüber, macht sichtbar, wie schwierig dieser Job in den Schulen am sogenannten unteren sozialen Ende ist.

Nachhaltig verankern

Ein Punkt bei uns, abgesehen von der Bereitschaft Älterer, ist ja auch, gut ausgebildete Männer in die Frühpädagogik zu bringen. Kindergärten wären überhaupt ein riesiges Thema – ich habe bei Teach for America gesehen, wie gut das funktioniert, wenn junge männliche Naturwissenschafter mit Vierjährigen arbeiten und die Lernlust pflegen.

Manche fragen mich, ob ich jetzt in Pension gehe. Ich denke mir: Es hat ja gerade erst angefangen. Ich spüre so viele Ideen in mir, und ich brauche Zeit, um die zu systematisieren. Gebhard Ottacher führt die Organisation jetzt operativ. Meine Aufgabe ist, Teach for Austria nachhaltig zu verankern.

Wir sind gut aufgestellt und haben mit der Zertifizierung unserer Fellows viel erreicht. Immerhin: Die Hälfte bleibt in dem Beruf, weil er sich als Traumberuf herausgestellt hat. Aber um langfristig stabil zu sein und zu wachsen, brauchen wir einen höheren Anteil öffentlicher Finanzierung. Gestartet haben wir mit null, jetzt sind wir auf einem Viertel. Das soll die Hälfte werden. Unsere Schwesterorganisationen haben das – in Schweden und Neuseeland haben sie 70 bis 80 Prozent aus öffentlicher Hand. So viel will ich gar nicht.

Ein weiteres Thema für mich: Spenden an uns sind nicht steuerbegünstigt. Im Gegensatz etwa zu den Salzburger Festspielen. Das sollte gleichgestellt sein. Und: Ich möchte etwas entwickeln, das für private Geldgeber insgesamt attraktiv ist – eine Art Private Fundraising 4.0. Mir geht auch eine andere Dimension durch den Kopf: Ärzte ohne Grenzen ist gegründet. Lehrer ohne Grenzen ist noch nicht gegründet." (Karin Bauer, 3.12.2018)