Die Nachfrage ist ungebrochen: Immer mehr Patienten wollen nicht rein schulmedizinisch behandelt werden und suchen sich einen Arzt, der sanftere Heilmethoden anbietet. Ein umstrittener Trend. Homöopathie steht dabei an erster Stelle.

Knapp 40 Millionen Euro werden jährlich mit Homöopathika umgesetzt, am häufigsten nachgefragt werden Grippe- und Erkältungsmittel.
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748 Ärzte haben in Österreich eine Zusatzausbildung in Homöopathie, erworben über ein Diplom der Akademie der Ärzte, einer Tochterorganisation der Österreichischen Ärztekammer. Die meisten von ihnen sind Wahlärzte, denn die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen keine Kosten für homöopathische Therapien oder Arzneimittel – ein seriöser wissenschaftliche Beweis fehlt. Zusatzversicherungen sind großzügiger und versprechen die Kostenübernahme auch für diese Behandlungsmethoden.

Überhaupt ist Österreich ein umsatzstarkes Land für Homöopathika. Knapp drei Millionen Produkte aus der Gruppe der homöopathischen Arzneimittel werden pro Jahr in den heimischen Apotheken verkauft. Das geht aus Daten von IQVIA Pharma Trend hervor, einem Institut für Markt- und klinische Gesundheitsforschung. Knapp 40 Millionen Euro werden damit jährlich umgesetzt. Am häufigsten nachgefragt werden homöopathische Grippe- und Erkältungsmittel. Nicht nur für Apotheken bieten Globuli großartige Geschäftsaussichten, auch die Hersteller können sich über eine ihnen wohlgesinnte Gesetzeslage freuen. Globuli unterliegen zwar dem Arzneimittelgesetz, für sie gelten aber Sonderregeln. Der Hersteller muss für eine Zulassung Qualität und Sicherheit nachweisen, nicht aber die Wirksamkeit des Präparats. Ein Grund, warum die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz ein Verkaufsverbot für Homöopathika fordert. Zumindest sollten die Patienten darüber aufgeklärt werden, dass es für die Wirksamkeit ihrer erstandenen Arzneimittel keine Belege gibt.

Keine Zweifel zugelassen

Ein Ansatz, für den Martin David, Kinderarzt in Wien, überhaupt kein Verständnis hat. Der Vater von sechs Kindern hat seine Ordination im Haus der Anthroposophie, sein Wartezimmer zieren selbstgeschnitztes Holzornamente. Dass er sich der Homöopathie und der anthroposophischen Medizin verschrieben hat, daraus macht er kein Geheimnis. "Aus Sicht der Anthroposophie (eine ganzheitliche Weltanschauung, die auf Waldorf-Begründer Rudolf Steiner zurückgeht, Anm.) ist die Anwendung von Schulmedizin und Homöopathie kein Widerspruch", erklärt David. Er ist davon überzeugt, dass er seinen kleinen Patienten durch die Kombination beider Richtungen "viel an schulmedizinischen Mitteln erspart" – etwa bei Neurodermitis oder bei chronisch obstruktiver Bronchitis. Konventionelle Medikamente wie Kortison würden im Fall einer Dauertherapie das Immunsystem unterdrücken, bemüht er ein drastisches Beispiel. Homöopathische Arzneien würden ohne Nebenwirkungen die chronische Krankheit bekämpfen, ist er von seinem Ansatz überzeugt. Denn: "Ich muss Probleme für Menschen lösen." Seit 15 Jahren betreibt er seine Ordination in Wien, mittlerweile hauptberuflich, davor war er unter anderem am Preyerschen Kinderspital tätig.

Dass es keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise für die Homöopathie gibt, will der Kinderarzt nicht gelten lassen. Man könne die Wirkung jederzeit beweisen, sagt er. Wo zieht David die Grenze, wann er Homöopathie nicht einsetzen würde: "Wenn bei einer akuten Krankheit das System zu kippen beginnt und das Leiden des Kindes nur unnötig verlängert wird." Hier sei auch die Verantwortung der Eltern gefragt, deswegen gebe er etwa bei akuten Halsentzündungen auch immer ein Blankorezept für Antibiotika mit.

Integrative Medizin

Bernhard Zauner ist einer der 595 österreichischen Allgemeinmediziner mit Homöopathie-Diplom. Seine Ordination ist im oberösterreichischen Bad Schallerbach. Er ist bereits während des Medizinstudiums zur Homöopathie gekommen. Auch er ist Wahlarzt. Viele Kritiker sehen den Zauber der Homöopathie in der Zeit und der Zuwendung, die den Patienten gewidmet wird. Ob die homöopathischen Arzneien dann tatsächlich wirken, damit sich der Patient besser fühlt, gerate in den Hintergrund, ist ihr Argument. Dass Zeit wichtig ist, weiß Zauner. Ein Erstgespräch dauert bei ihm zwischen einer und eineinhalb Stunden. Für ihn ist Homöopathie kein Humbug, sondern eine Erweiterung seines Arbeitsspektrums als Schulmediziner. "Ich bin Praktiker, kein Wissenschafter", sagt er: "Wie sehr Patienten mit den Anwendungen zufrieden sind, fließt für mich in die Evidenz ein."

Er betreibe integrative Medizin, betont Zauner. Er sei froh über konventionelle Ansätze, verschreibe genauso Antibiotika und zeige seinen Patienten den Therapieweg immer ganz genau auf: "Es ist als Arzt meine Aufgabe aufzuklären, auch über die Grenzen von homöopathischer Therapie" – diese zieht er beispielsweise bei Krebserkrankungen.

Sowohl David als auch Zauner fordern den Dialog mit ihren Kritikern ein, lassen sich in ihren Ansichten aber nicht beirren. Widerspruch scheint sie in ihrer Haltung nur zu bestärken. (Marie-Theres Egyed, 1.12.2018)