Abenteuer und die Lust, sich Gefahren auszusetzen, sind höchst subjektiv. Als die ersten Eisenbahnen ihre Schneisen durch die Landschaft zogen, warnte man davor, wegen des Geschwindigkeitsrausches in Ohnmacht zu fallen, und vor Deformationen des Gesichts, die durch den rasanten Fahrtwind entstehen könnten. Manch einer ist heute schon beim Bändigen von Sedgeways stolz wie ein Löwendompteur, andere sind froh, mit dem E-Scooter nicht in den Straßengraben oder Wienfluss zu rasen. Nun, was soll ein Formel-1-Pilot dazu sagen? Ein Astronaut? Oder auch Extremradler Michael Strasser, der vor kurzem die Distanz von Alaska bis Patagonien in Weltrekordzeit bewältigt hatte?

Vorweihnachtliche Bücherverkostung

Was für den einen langweilig ist, ist für jemand anderen ein großes, unvergessliches Abenteuer. Und was seinerzeit als Innovation gefeiert wurde, gehört vielleicht schon zum alten Eisen. "Stimmt", raunte Manuel Liebkind leise nickend und nahm einen Schluck dampfenden Glöggs zu sich. Sein Freund Bouquiniste hatte zur vorweihnachtlichen Bücherverkostung geladen und zu diesem Zweck seinen Heiligenschrein der analogen Gutenberg-Galaxis bis in die späte Nacht geöffnet. Eine Handvoll konspirativer Kräfte labte sich also an geistiger Nahrung, aalte sich in zwischen Buchdeckel gepressten Gedanken- und Bilderwelten. Im Lauf des Abends war man auf bislang unerfüllte Träume gekommen – und so beim Thema Freiheit gestrandet. Liebkind erinnerte an die Passage von Fellinis 8 ½ , in der unter Pomp und Trara einer Rakete Jungfernflug durch Traumsequenzen abgeblasen wurde.

Um die Diskussion aber nicht allzu sehr in virtuelle Sphären abgleiten zu lassen, unterfütterte Bouquiniste die Ideen mit Büchern über Mobilität, Reisen, über Beschleunigung und bewusste Entschleunigung – abseits von Klassikern wie Kerouac, Jules Verne, London, Verlaine oder Richard Brautigan. Ohne Pick-up wäre kein moderner Western vorstellbar, ohne SUV kein Asphalt-Cowboy, ohne Porsche würde Jimmy Dean vielleicht noch leben. "So bleibt er eine ewige Legende", warf ein Zyniker und Adrenalinjunkie folglich ein.

Stefan Bogner, "Grossglockner Hochalpenstraße". € 39,90 / 376 S. Delius-Klasing-Verlag, 2018
Johann Reisinger, "50 Jahre Elektrifizierung der Semmeringbahn". € 20,- / 208 S. Sutton, 2018
Ute Streitt, "Die Linzer Eisenbahnbrücke: 1900 bis 2016". € 34,- / 184 S. Ed. Bibliothek der Provinz, 2018
Wolfgang Zurborn, " Karma Driver". € 39,- / 184 S. Fotohof Edition, Salzburg 2018
Heiko P. Wacker, " Im Bulli auf dem Hippie-Trail".€ 23,- / 192 S. Delius-Klasing-Verlag, 2018
Ulrich Biene, "Lieblingsautos aus der Spielzeugkiste". € 29,90 / 160 S. Delius-Klasing-Verlag, 2018
Michael Görmann, "Classic Cars Review". € 130,- / 400 S. Verlag teNeues, 2018
Foto: Lukas Friesenbichler

Berge sind ein Abenteuer für sich – egal ob man sie zu Fuß als Wanderer, Bergsteiger, als Radfahrer oder mit dem Auto bezwingt. Dass einen die Grossglockner Hochalpenstraße in einen Rauschzustand versetzt, beweist Stefan Bogner. Die Metamorphosen vom Dampfross zur Elektrifizierung thematisieren Johann Reisingers Buch über die Semmeringbahn und Ute Streitts Opus über die Linzer Eisenbahnbrücke. Auf der Fährte von Chakra und Glück begab sich Wolfgang Zurborn als Karma-Driver. Nachvollziehbar im gleichnamigen fotografischen Roadmovie. Im Bulli auf den Hippie-Trail begab sich Heiko Wacker. "Es scheint sich immer wieder zu beweisen, dass Männer ihr Leben lang Kinder bleiben, nur die Größe ihrer Spielzeuge ändert sich", warf Liebkinds Angetraute lapidar in die Runde. Als Beweismittel dienten Ulrich Bienes Lieblingsautos aus der Spielzeugkiste und Michael Görmanns gigantomanische Classic Cars Review.

Als die eingeschworene Gemeinde sich im Sinne der Großen Freiheit Nr. 7 anschickte, La Paloma anzustimmen, wünschte Liebkind sich wegzubeamen, wie einst Marcellino selig in Fellinis ätherischem 8 ½ dem tosenden Alltag fliegend in unendliche Freiheit zu entschweben. (Gregor Auenhammer, 9.12.2018)