Die Debatte um die Reduktion von CO2-Emissionen kratzt lediglich an den Ursachen der Klimakrise.

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Seit der Unterzeichnung des Kioto-Protokolls konnten die wenigsten Länder ihre geplanten Emissionsreduktionsziele erreichen. Ein verringerter Ausstoß an Treibhausgasen war in der Regel eine direkte Folge der Finanzkrise 2008, nicht das Ergebnis klimapolitischer Bemühungen.

Der Politikwissenschafter Roger Pielke Jr. erkennt darin ein "eisernes Gesetz" der Klimapolitik: "Wann immer zwischen Wirtschaftswachstum und Klimaschutz gewählt werden muss, gewinnen Maßnahmen für Wirtschaftswachstum." Politisch – nicht ökonomisch – gewinnt das Argument Wachstum vor allem aus einem Grund: Erwerbsarbeitsplätze stünden auf dem Spiel.

Die Kohlenstofftechnokratie

Wenn die Angst um das Erwerbseinkommen und eine gesicherte Existenz einen effektiven Klimaschutz behindert und wir unsere Hoffnung nicht in Finanzkrisen setzen wollen, dann wäre ein erster Schritt aus dem Dilemma das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Dieser Erkenntnis verschließen wir uns, wenn wir den Klimawandel primär über das Symptom CO2-Emissionen definieren: Das macht die Kohlenstofftechnokratie.

Sie verortet das Problem im Symptom CO2 und betrachtet die wirtschaftlichen und politischen Strukturen der Industriegesellschaften und deren Menschenbild als weitgehend unabänderlich und universell. Das Selbstverständnis von Industriegesellschaften lässt sich mit einem dem Apostel Paulus zugeschriebenen, meist aus dem Zusammenhang gerissenen Satz zusammenfassen: "Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen." Um sich moralisch vom Adel abzuheben, entwickelte sich unter Lohnarbeitern im späten 18. Jahrhundert ein industrieller Arbeitsethos, der heute in anachronistischen Rufen nach Vollbeschäftigung weiterlebt und häufig im Burnout ausbrennt. Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft, die einem untergehenden Weltbild anhängt.

Eine Abkehr von diesem Krisen provozierenden, energieraubenden System ist in den sozioökonomischen Modellen der Kohlenstofftechnokratie nicht vorgesehen.

Ignoriert werden historische Fakten rasanten – disruptiven – politischen und gesellschaftlichen Wandels. Selbst die industrielle Förderung fossiler Brennstoffe wäre ohne soziale Innovationen, etwa jene ungedeckten Kredite, die Geldschöpfung aus dem Nichts, nicht möglich gewesen. Bewusst verändert werden könne hingegen das Erdsystem.

Die Metapher eines globalen Thermostats steht für diese Hybris: Viele Menschen sind überzeugt davon, dass wir an einem globalen Temperaturregler drehen könnten. Klimapolitik wird demnach primär als technologische Variante, nicht als gesellschaftlicher Wandel konzipiert. Letzterer beschränkt sich meist auf Wettbewerbe um den individuellen CO2-Fußabdruck – eine politisch neoliberale Ausformulierung der Kohlenstofftechnokratie.

Dass es beim Klimawandel um weit mehr als bloß um CO2-Fußabdrücke geht, hat Papst Franziskus in seiner Klima-Enzyklika genannten "Laudato si" erkannt. Auf 200 Seiten erwähnt er "CO2" fünfmal, "Klima" zwölfmal, "Würde" 25- und "Armut" 59-mal. Der Papst stellt die Verteilungsfrage.

In Würde arbeiten

Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wäre finanzielle Armut abgeschafft und ein Arbeiten in Würde für alle ermöglicht. Wer schlecht behandelt wird, wer keinen Sinn in seiner Erwerbstätigkeit findet, der arbeitet ungern, woraus sich die meisten sozialen Probleme ableiten lassen. Zugleich löst das bedingungslose Grundeinkommen die Politik leise von der Doktrin der Vollbeschäftigung um jeden Preis. Eine um dieses fragwürdige Ziel erleichterte Politik könnte das eiserne Gesetz brechen und die Emissionsziele der Kohlenstofftechnokratie erreichbar werden lassen. (Mathis Hampel, Aaron Sterniczky, 5.12.2018)