Pflege ist für alle Beteiligten eine Ausnahmesituation und eine extreme Belastung: Die Pflegebedürftigen sind die Hauptbetroffenen, sie können – abgesehen von ihren Gebrechen – nicht mehr selbstbestimmt und allein leben. Für die pflegenden Angehörigen ist die finanzielle und persönliche Bürde kaum überschaubar. Die Pflegekräfte klagen über hohes Arbeitspensum, wenig Wertschätzung und geringes Gehalt. Für die Politik ist es eine fast unstemmbare Herausforderung, wie sie einer älter werdenden Gesellschaft eine würdevolle Betreuung – und diese wird immer teurer – möglich machen kann.

Die türkis-blaue Präsentation eines "Masterplans Pflege" ist daher grundsätzlich begrüßenswert. Es ist eine umfangreiche, fünfzehnseitige Absichtserklärung, ein Problemaufriss bekannter Baustellen im sensiblen Pflegebereich. Allerdings ist es ein Masterplan ohne konkreten Plan, denn Entscheidungen, wie das komplexe Thema gelöst werden soll, sollen erst Ende 2019 fallen. Das schmälert nicht das Selbstbewusstsein von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die erklärt hatte, nur dann vor die Medien zu treten, wenn es große Reformprojekte gebe. In diesem Fall ist es in erster Linie aber bloß eine große Ankündigung.

Dabei darf es nicht bleiben. Dass Pflege ein Zukunftsthema ist, haben Betroffene schon zu oft von den zuständigen Ministern unterschiedlicher Couleur gehört. Die Abschaffung des Pflegeregresses im Sommer 2017 hat plötzlich Pflegeheime attraktiver gemacht. Die Aussicht auf qualitative Rundumpflege ohne Vermögenszugriff hat die Anmeldungen etwa in Wien um mehr als 30 Prozent steigen lassen. Eine Gegenfinanzierung wurde damals nicht beschlossen, mitgetragen wurde der Beschluss von allen Parteien außer den Neos. Die Kurzsichtigkeit, die Hartinger-Klein ihren Vorgängern vorwirft, trifft also auch auf ihre eigene Partei zu.

Alleingelassen und überfordert

"Daheim statt Heim" nennt Hartinger-Klein das Ziel dieser Reform. Die ungeschickte Abwandlung eines Wahlkampfslogans aus Herbert Kickls Feder mag verheißungsvoll klingen, hat aber auch Schattenseiten. Pflegende und Gepflegte fühlen sich alleingelassen und überfordert, die Zuständigkeiten und Hilfestellungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Herauszufinden, wem welche Hilfe zusteht, ist oft ein zeitaufwendiger Akt.

Trotz aller Ambitionen, die der Regierung anzurechnen sind, gibt es auch Widersprüche. Die Pflege zu Hause, die noch mehr gefördert werden soll, ist vor allem weiblich – und unbezahlt. Beratung und Kurse für Angehörige anzubieten ist wichtig, löst aber nicht das Problem der Doppelbelastung für pflegende Angehörige.

Derzeit wird die 24-Stunden-Betreuung älterer Menschen meist von Frauen aus Osteuropa übernommen, die auch den Haushalt führen. Türkis-Blau will zwar die Bedingungen verbessern und ein Gütesiegel einführen, hat aber jenen Frauen, die meist ihre Kinder im Herkunftsland zurücklassen, die Familienbeihilfe gekürzt. Um das wiedergutzumachen, braucht es höhere Gehälter.

Und schließlich die Schlüsselfrage nach der Finanzierung: Pflegeversicherung oder zweckgebundene Steuer? Festlegen will sich die Regierung noch auf kein Finanzierungsmodell, das werde erst geprüft. Wofür auch immer sich die Regierung entscheidet, eines ist klar: Bezahlen müssen wir beide Modelle selbst. (Marie-Theres Egyed, 5.12.2018)