Wien – Das Leopold Museum hat ein Rekordjahr hinter und die Neuaufstellung seiner Sammlung vor sich: 2018 brachte für das Museum trotz einmonatiger Schließzeit für Sanierungen einen Besucherzuwachs von knapp 37 Prozent. 2019 wird man auf drei Ebenen die neue Dauerausstellung "Wien um 1900" eröffnen und umfassende Personalen zu Oskar Kokoschka, Olga Wisinger-Florian und Richard Gerstl zeigen.

"Es war das mit Abstand erfolgreichste Jahr in der Geschichte des Hauses", resümierte Direktor Hans-Peter Wipplinger am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Etwa 520.000 Besucher wird man Ende des Jahres empfangen haben, durch den damit verbundenen Anstieg bei Eintritten sowie den Rekordeinnahmen beim Sponsoring verzeichnete man heuer einen Eigenfinanzierungsgrad von mehr als 60 Prozent. Die großen Zugpferde unter den Ausstellungen waren freilich die "Wow"-Schau der Heidi Horten Sammlung sowie die großen Gedenkjahr-Beiträge zu Schiele und Klimt. Die Mehreinnahmen wurden bereits reinvestiert – Eingangsbereich und Shop wurden neu gestaltet, ein digitales Leitsystem sowie neue Leuchtmittel im ganzen Haus installiert. Etwa eine halbe Million Euro steckte man in Neuerwerbungen für die Sammlung, etwa im Wert der selben Höhe erhielt man Schenkungen.

Fokus auf die Jahrhundertwende

Mit diesen erfreulichen Entwicklungen im Rücken macht man sich im kommenden Jahr an die Neupräsentation der Schausammlung. Auf vier bis fünf Jahre ist die drei Etagen umfassende "Wien um 1900. Urquell der Moderne"-Schau (ab 16. März) ausgelegt – und sie möchte das Phänomen der Wiener Jahrhundertwende in einem breiteren Rahmen betrachten. Das "Radikale Aufeinandertreffen von Tradition und Innovation" wird nicht nur in der Bildenden Kunst, sondern auch in Tanz, Architektur oder Psychologie, in Sprachphilosophie und Physik gezeigt. "Etwa 70 Prozent speist sich aus unserer eigenen Sammlung", erklärte Wipplinger, als Leihgeber hat man etwa das (wegen Umbau geschlossene) Wien Museum, Akademie und Angewandte aber auch die Judaika-Sammlung von Ariel Muzicant gewinnen können.

Den großen Abwesenden im 1918er-Gedenkreigen der Wiener Moderne, Oskar Kokoschka, würdigt das Haus 2019 umso umfassender: Den Ausnahmekünstler, dessen Biografie sich liest "wie ein Parallellauf durch die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts", so Kuratorin und Sammlungsleiterin Heike Eipeldauer, zeigt man ab 6. 4. als "Maler, Grafiker, Theatermacher, Lehrer, Dichter, Humanist, überzeugten Europäer, politischen Aktivisten, Womanizer, Sammler von Marienstatuen, Experte für die griechische Antike" und vieles mehr. Sein Frauenbild wird ebenso Thema sein wie sein Ruf als "Seelenaufschlitzer" beim Porträtmalen, einen starken Fokus – mit zum Teil seit Jahrzehnten nicht in Österreich gezeigten Exponaten – legt man auf die politische Seite des Künstlers.

Kalb, Wisinger-Florian, Gerstl

Auch die weiteren Personalen gruppieren sich rund um die Moderne und den Expressionismus: den weitgehend unbekannten Edmund Kalb zeigt man im Grafischen Kabinett, im Tiefgeschoß wird es am 24. Mai die erste umfassende Personale zu Olga Wisinger-Florian geben. Die Wiener Malerin, die ihren wegweisenden, selbstbewussten Pinselstrich im geschlechtertypisch beengten Bereich der Blumenmalerei entwickelte, wird dabei nicht nur in rund 70 Ölgemälden, sondern auch mittels Ausschnitten ihrer akribisch geführten Tagebücher präsentiert. Ende September eröffnet dann "Richard Gerstl. Inspiration und Vermächtnis", die das schmale Werk des Künstlers – Rudolf Leopold akkumulierte mit 16 Werken die weltweit größte Sammlung – eingebettet in Vorläufer und Nachfolger bis heute. Die Reihe von Privatsammlungen, die im Haus ausgestellt werden, wird im November 2019 fortgesetzt mit einem Zusammenspann der Schweizer Sammlung Braglia und der deutschen Kollektion Johennig, die gemeinsam ein groß angelegtes Spektrum des deutschen Expressionismus ermöglichen.

Mit dem Wiederaufmachen des Hauses nach den Sanierungsarbeiten werden heute Abend auch zwei neue Ausstellungen eröffnet: Die fast ausschließlich aus der eigenen Sammlung bestückten "Wege ins Freie" zeigen die Fülle von Landschaftsmalerei zwischen Waldmüller und Schindler, die in der Sammlung Leopold eine kunstgeschichtliche Eroberung der Landschaft als narratives und metaphysisches Element ab 1860 abbildet. Im Grafischen Kabinett werden einige "Verborgene Schätze" der Sammlung ins Scheinwerferlicht gerückt, die aufgrund ihres Erhaltungszustands lange nicht ausgestellt werden konnten. (APA, 6.12.2018)