Karl J. Reiter ist nicht nur Hotelier, er besitzt auch eines der größten privaten Lipizzanergestüte Europas.

Foto: ho/jenny koller

An der Rezeption von Reiters Supreme in Bad Tatzmannsdorf zeigen vier Uhren die Zeit in New York, Tokio, Sydney und Tirol an. Eine Koketterie? "Eher ein Statement", sagt Karl J. Reiter. Der Tiroler im Burgenland, der sich selbst als Gast-und Landwirt bezeichnet, ist weltgewandt und weitgereist. Dass er auch Mitglied der Schützen ist, könnte man als Widerspruch sehen, ist es aber nicht. Er mag Tradition, Innovation und Pferde, vielleicht sogar in umgekehrter Reihenfolge. Er besitzt 70 und kennt alle mit Namen, Lipizzaner, Haflinger, Isländer.

STANDARD: Haben Sie sich heute schon geärgert?

Reiter: Heute nicht, es war erfreulich. (Eine Kellnerin serviert grünen Tee. "Sei so lieb, nimm bitte die Zitrone weg, die passt gar nicht.")

STANDARD: Manchmal kommt es aber doch vor, dass Sie sich ärgern?

Reiter: Ärgern nicht, eher kränken.

STANDARD: Wegen Fehlern?

Reiter: So etwas wie vorhin passiert mir selten. Meistens sage ich das später unter vier Augen. An diesem Beispiel sieht man aber, wie verwundbar wir sind.

STANDARD: Inwiefern?

Reiter: Allein beim Grüntee haben wir an die 20 verschiedene Sorten im Haus. Die Bedienung müsste fragen, welchen Grüntee Sie gerne hätten; zumindest müsste sie fragen: Parfümiert oder nicht? Wird ein parfümierter Tee serviert und der Gast mag den nicht, ist alles für die Katz. Zusätzlich müsste sie fragen, ob der Tee in einer großen Tasse oder in einem Kännchen serviert werden soll. Uns plagen aber noch ganz andere Dinge.

STANDARD: Welche zum Beispiel?

Reiter: Das Thema Ausbildung oder die Samstag-Sonntag-Problematik. Am Wochenende sind die Kindergärten zu. Von klein auf werden die Kinder programmiert, dass Samstag und Sonntag frei ist. Dasselbe geschieht in der Schule. Von etwa vier Millionen Werktätigen in Österreich müssen jetzt schon mehr als eine Million sonntags arbeiten. Und der Bedarf steigt. Wer soll das machen?

STANDARD: Sagen Sie es mir?

Reiter: Es kann nicht sein, dass ein Teil egoistisch sagt, ich arbeite nur von Montag bis Freitag, und andere sollen den Deppen spielen.

STANDARD: Man beschreibt Sie als Tausendsassa. Und Sie sich selbst?

In der Karl Reiter Holding hat der Tiroler Hotelier seine burgenländischen Aktivitäten gebündelt. Zentrum ist Reiters Reserve. Auf einem 120 Hektar großen Grundstück betreibt Reiter in Bad Tatzmannsdorf zwei Hotels: Das Fünfsternehaus Reiters Supreme sowie das Viersternehotel Reiters Finest Family, umgeben von einem 18-Loch-Golfplatz. Inklusive des Allegria Resort Stegersbach sind knapp 600 Mitarbeiter beschäftigt. An die 70 Pferde gehören dazu – Lipizzanern, Haflinger, Isländer.
Foto: ho/jenny Koller

Reiter: Ich bin Gast- und Landwirt.

STANDARD: Als Sie Ende der 1960er-Jahre ins Ausland gingen, war der Pass ein Muss, an jeder Grenze wurde streng kontrolliert. Dann gab es mit Schengen eine Lockerung, seit der Flüchtlingskrise 2015 wird wieder kontrolliert. Wie geht es in Ihnen damit?

Reiter: Das Ganze erfüllt mich mit Sorge. Unser elterliches Wirtshaus Zur Alten Post in Achenkirch war acht Kilometer von der bayerischen Grenze entfernt. Wenn ich nach Salzburg gefahren bin, musste ich viermal den Pass zeigen, manchmal viermal anstehen, Kofferraumdeckel auf – der Amtsschimmel in Perfektion. Ich würde es wahnsinnig schade finden, wenn es so weiterginge.

STANDARD: Haben Sie einen Rat?

Reiter: Ich bin ein glühender Europäer, aber genauso ein Verfechter der Subsidiarität. Was die kleine Einheit machen kann, soll die kleine Einheit machen. Wir brauchen eine gemeinsame Armee, auch einen gemeinsamen Außenschutz. Die kleinen Dinge aber soll man lokal erledigen. Die Wirtshäuser hat nicht Brüssel zugesperrt, das waren unsere BHs (Bezirkshauptmannschaften; Anm.).

STANDARD: Das Wirtshaussterben wird aber der EU angelastet.

Reiter: Nix EU, das sind unsere BHs. Und die 20 Auflagen für meine Mangalitza-Schweine hat auch die BH gemeinsam mit dem Tierarzt zu verantworten.

Nicht nur Pferde, auch Barockesel treiben sich in Reiters Reserve bei Bad Tatzmannsdorf im Burgenland herum.
Foto: ho/jenny koller

STANDARD: Welche Werte wurden Ihnen vom Elternhaus mitgegeben?

Reiter: Ehrlichkeit, Redlichkeit, tue recht und schade niemand.

STANDARD: Hart arbeiten auch?

Reiter: Wenn du hart arbeitest, hast du sicher mehr Glück, hat meine Mutter immer gesagt.

STANDARD: Viele Gastwirtssöhne und -töchter, die ihre Eltern schuften gesehen haben, lassen es bleiben. Bei Ihnen lief es anders?

Reiter: Das eine wie das andere kommt vor. Die sich dafür entscheiden, wissen, was ihnen bevorsteht. Die fangen erst gar nicht an mit Work-Life Balance.

STANDARD: Sie schon?

Reiter: Bei mir verschwimmt alles, Arbeit, Freizeit, Hobby. Man trifft interessante Menschen, lernt viel, kann auch etwas weitergeben. Ich teile gerne, halte Wissen nicht für mich zurück und versuche, über Gespräche und Exkursionen unsere Mitarbeiter voranzubringen.

STANDARD: Was treibt Sie an?

Reiter: Die Liebe zur Sache. Ich brauche kein Scheinwerferlicht, stehe gerne im Hintergrund. Wenn es der Sache dient, stelle ich mich aber auch auf die Bühne.

STANDARD: Geld ist kein Anreiz?

Reiter: Nur in dem Sinn, dass ich panische Angst hätte, bankrottzugehen. In meinem Umfeld habe ich genug Abschreckendes gesehen, um wachsam zu sein. Ich versuche jede Art von Verschwendung hintanzuhalten. Geld ist nichts, was mich antreibt. Ich hätte Achenkirch abzüglich Schulden um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag verkaufen können, habe im Prinzip aber alles meinem ersten Sohn übergeben.

STANDARD: Materiell bekamen Sie von zu Hause etwas mit?

Reiter: In der Zeit, als ich im Ausland war, nicht. Da hätte ich lieber gehungert, auch wenn mich mein Vater bei Bedarf sicher finanziell unterstützt hätte. Als ich zurück in Achenkirch war und ins elterliche Wirtshaus eingestiegen bin, das fünf Jahre verpachtet war, hatten wir noch die Landwirtschaft und etwas Grund. Geteilt durch vier hätte für jeden von uns Brüdern ein Privathaus herausgeschaut. Ich habe aber jedem weit mehr gegeben.

STANDARD: Österreich lebt vom Tourismus. Läuft alles gut oder gibt es Fehlentwicklungen?

Eine eigene Rinderzucht betreibt Karl Reiter auch. Die Steaks für die Gäste in seinen Hotels "wachsen" nahe Pöllau in der Steiermark.
Foto: ho/jenny koller

Reiter: Aktuell werden rund drei Prozent der Fläche Österreichs für Tourismus genutzt. Wenn ich damit so eine Wertschöpfung mache, müsste es eigentlich passen. Tatsächlich gibt es aber immer wieder Kritik.

STANDARD: Zu viele Touristen?

Reiter: Wenn es eine Handvoll Orte gibt mit einer starken Konzentration an Touristen, muss man das Bad nicht mit dem Kind ausschütten und sagen, Schluss mit dem Ganzen. Dass Tirol das Tourismus-Vorzeigeland wurde, das es ist, hat langer harter Arbeit bedurft. Noch vor 70 Jahren war Tirol ein armes Land. Wenn man nicht aufpasst, dauert es keine 70 Jahre, dass es wieder so ist. Die ewige Prügelei ist grob fahrlässig. Sie zermürbt, macht müde, kränkt. Man wird sich entscheiden müssen. "Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass" geht nicht.

STANDARD: Viele Hoteliers jammern, es sei schwer, gute Mitarbeiter zu bekommen. Sie auch?

Reiter: Das war früher so, ist heute so und wird immer so sein.

STANDARD: Was machen Sie?

Reiter: Alles, was irgendwie geht. Vom Kindergarten, der sieben Tage in der Woche zwölf Stunden am Tag auch für die Kinder der Mitarbeiter offen hat, über ansprechende Unterkünfte, gutes Essen, schöne Reisen.

STANDARD: Und Geld?

Reiter: Da gibt es am wenigsten Spielraum. Die meisten Betriebe haben fast 40 Prozent Lohnkosten, unter 35 Prozent schafft es kaum wer. Die Mitbewerber in Asien und im arabischen Raum kommen auf sieben bis zwölf Prozent.

STANDARD: Preise erhöhen?

Reiter: Wir haben das versucht. Nach einer Zimmerrenovierung, die uns Millionen gekostet hat, haben wir 20 Euro pro Kopf mehr verlangt. Was war die Folge? Die Auslastung ist um zehn Prozent gesunken. Die Möglichkeit, mehr zu verdienen, ist sehr beschränkt. (Günther Strobl, 9.12.2018)