Für Heinz-Christian Strache liegen die "Einzelfälle", in denen FPÖ-Funktionäre und/oder -Mandatare und/oder -Mitarbeiter einschlägig auffällig geworden sind, in der Vergangenheit.

Illustration: Armin Karner

Das Verhältnis der FPÖ zu Neonazismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus – eigentlich glaubt Heinz-Christian Strache, alles zu diesen Themen gesagt zu haben. Trotzdem hat sich der Vizekanzler und FPÖ-Chef einem STANDARD-Interview gestellt, bei dem es – auch – darum ging. Das muss man positiv anerkennen. Aus seiner Sicht ist alles klar – und wenn man sich seine großen öffentlichen Auftritte ansieht, kann man das durchaus verstehen.

In seiner Festrede zum 100. Geburtstag der Republik betonte der Vizekanzler etwa die besondere Verantwortung Österreichs sicherzustellen, dass sich die Verbrechen der NS-Zeit nie mehr wiederholen dürfen. Er mahnte ein, das Verbindende über das Trennende zu stellen, und er sagte, Freiheit, Unabhängigkeit und Frieden gelte es nur und ausschließlich mit demokratischen Mitteln sicherzustellen. Es war eine starke Rede.

Bereits auf dem umstrittenen Akademikerball Ende Jänner hatte Strache im Zuge der Liederbuchaffäre Udo Landbauer, den damaligen FPÖ-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Niederösterreich, verurteilt. "Es ist unsere Pflicht, klar Stellung zu beziehen gegen Antisemitismus, Rassismus und totalitäres Denken", sagte er damals. Man kann darüber spekulieren, ob das auf Druck von Sebastian Kurz geschehen ist – immerhin war die türkis-blaue Koalition gerade erst angelobt worden. Jedenfalls hat Strache – aus seiner Sicht – seither immer wieder klar Stellung bezogen. Für ihn liegen die "Einzelfälle", in denen FPÖ-Funktionäre und/oder -Mandatare und/oder -Mitarbeiter einschlägig auffällig geworden sind, in der Vergangenheit.

Einflussreiche Kreise in der FPÖ

Dem gegenüber steht aber die Liste der "Einzelfälle", die der STANDARD seit Regierungseintritt der FPÖ und der ersten einschlägigen Auffälligkeit führt. Sie folgt keiner historischen Chronologie. Sie reicht bis in die Gegenwart, weiterhin werden auch aus FPÖ-Kreisen Signale an das rechtsextreme Lager gesandt – Signale, die jene verstehen, die sie verstehen sollen. Straches Problem ist nicht, dass sich seine Partei nicht von den Gräueln der Vergangenheit distanziert. Sein Problem sind jene einflussreichen Kreise in der FPÖ, die der Herrenrassen-Ideologie noch immer anhängen – ob heimlich oder ganz offen. Es sind dieselben Kreise, die Jörg Haider und Susanne Riess-Passer loswerden wollten, nachdem die FPÖ Juniorpartner in der schwarz-blauen Regierung geworden war. Die damalige FPÖ zerbrach – nicht nur an Haiders Hybris, auch an diesen inneren Widersprüchen.

Das nationale Lager hob Strache damals auf den Schild. Nun tut er sich schwer, dieses Lager wieder abzuschütteln. Die Kräfte, die ihn halten, sind auch jene Kräfte, die an ihm zerren. Zudem ist Straches eigene Haltung widersprüchlich: Einerseits verurteilt er rechtsextreme Vorkommnisse, andererseits verteidigt er immer wieder FPÖler, die darin involviert sind. Dazu passt, dass die Durchleuchtung der Burschenschaften noch immer auf sich warten lässt.

Nicht nur für die FPÖ ist das ein Problem – auch die ÖVP wird in die Sache hineingezogen. Bundeskanzler Kurz schweigt zumeist zu den Einzelfällen der FPÖ. Der Begriff "Schweigekanzler", gerade zum Unwort des Jahres gekürt, resultiert aus dieser neutralen Haltung, die eine Staatsvertragspartei im Grunde nicht einnehmen darf.

Ein würdiger Abschluss des Gedenkjahres 2018 wäre es, wenn sich die FPÖ diesen dunklen Seiten endlich stellen würde. Die Zeichen dafür stehen schlecht. (Petra Stuiber, 8.12.2018)