Pocht als Oberhaupt der Muslime auf den Rechtsstaat: Ümit Vural.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Gegen antimuslimische Übergriffe, aber auch gegen extremistische Tendenzen in den eigenen Reihen will der neue Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft vorgehen: Am Montag skizzierte Ümit Vural, aus der Türkei stammender Jurist, sein künftiges Amtsverständnis.

Weil sein Vorgänger Ibrahim Olgun im Zuge der von der Regierung angekündigten, wenn auch nicht erfolgten Moscheenschließungen unter Druck geraten war, hat sich der Schurarat, quasi das Parlament der Glaubensgemeinschaft, auf die Wahl Vurals verständigt – und eines von dessen Zielen ist es nun, "wieder für Eintracht und Einigkeit" in der Community zu sorgen.

Ebenfalls auf der Agenda des neuen muslimischen Oberhaupts: Der Dialog mit der türkis-blauen Koalition, die nach dem Kopftuchverbot für Mädchen in Kindergärten, nun auch eines für Volksschülerinnen anstrebt. Bei dem Austausch gehe es ihm nicht um Konfrontation, aber sehr wohl will sich der 36-Jährige "auf dem Boden des Rechtsstaats" für die Anliegen der Muslime einsetzen, denn: "Sie dürfen sich nicht als Bürger zweiter Klasse fühlen."

Österreichischer Weg

Was das Kopftuch selbst betrifft, sprach sich Vural gegen Verbote und für Aufklärung aus. Hier stelle sich die Frage, wie ernst man es mit Grund- und Menschenrechten und mit der Verfassung nehme, mahnte Vural, Mitglied der Rechtsanwaltskammer und Rechtsanwaltsanwärter in der Wiener Kanzlei von Rudolf Mayer: "Niemand kann erklären, dass Verbote von Kleidungsstücken in einer offenen und liberalen Demokratie würdig sind."

Jede Frau müsse selbst darüber entscheiden können – und bei Kindern sei dies freilich etwas anders, weil man nicht erwarten könne, dass Kinder eine solche Entscheidung bewusst und frei treffen. Dass die Glaubensgemeinschaft gegen das Kopftuchverbot für Kinder juristisch vorgeht, ist noch keine ausgemachte Sache – aber man werde sich das Verbot "genau anschauen".

Immer wieder betonte Vural auch, weil ihm eine Nähe zur türkisch-nationalistischen Millî-Görüş-Bewegung nachgesagt wird: "Wir in Österreich entscheiden über die Zukunft selbst in unseren Organen. Wir vertreten den Islam in Österreich und wollen einen österreichischen Weg gehen."

Was die umstrittene Bewegung selbst angeht, sagte er: "Millî-Görüş ist für mich mein Vater, der mich mit sechs, sieben Jahren in die nächstgelegene Moschee mitgenommen hat." Das habe ihn geprägt, mehr nicht. Und ja, in der Islamischen Föderation, auf deren Ticket Vural in den Schurarat und die neue Funktion gelangte, habe er sich engagiert, aber keinerlei Funktionen ausgeübt. "Ab heute zählt für mich ausschließlich die Glaubensgemeinschaft", versprach Vural.

Zudem kündigte er Reformen in der Glaubensgemeinschaft an, denn: "Es reicht nicht aus, nur einen Namen an der Spitze zu ändern, es braucht auch grundsätzliche Änderungen und eine Professionalisierung." So solle etwa auch die Kommunikation mit den Muslimen, aber auch die Medienarbeit verbessert werden. (Nina Weißensteiner, 10.12.2018)