Der kosovarische Präsident Thaçi sagte, dass das Preshevo-Tal in Serbien, wo viele Albaner leben, zum Kosovo kommen sollte. Der Norden des Kosovo soll im Gegenzug zu Serbien gehören.

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Im Kosovo wird gerade an einem Verhandlungsteam für den Dialog mit Serbien gebastelt. Die Sozialdemokraten unter Shpend Ahmeti könnten in diesem Rahmen auch der Regierung beitreten. Andere Oppositionsparteien plädieren allerdings dafür, dass zunächst Wahlen abgehalten werden, um so ein Verhandlungsteam zu legitimieren. Bislang gab es auf der politischen Ebene vor allem Gespräche zwischen dem Präsidenten Hashim Thaçi und seinem serbischen Gegenüber Aleksandar Vučić. Doch viele im Kosovo halten Thaçi nicht für legitimiert, für den Kosovo zu sprechen.

Laut Plan soll eine international bindende Vereinbarung zwischen dem Kosovo und Serbien bis März unter Dach und Fach gebracht werden – also rechtzeitig vor der EU-Wahl im Mai. Thaçi sagte nun erneut, dass das Preshevo-Tal in Serbien, in dem viele Albaner leben, zum Kosovo kommen sollte. Der Norden des Kosovo soll im Gegenzug zu Serbien gehören. Danach sollte der Kosovo anerkannt werden und Russland sein Veto gegen die Mitgliedschaft in der Uno aufgeben.

Lobbying für Gebietsaustausch

Vučić und Thaçi haben sich offenbar im Geheimen schon lange auf einen Gebietsaustausch geeinigt. Bei diesem "Deal" wurden sie aber auch von Amerikanern und einigen Europäern unterstützt. Einer der wichtigsten Kontakte ist der ehemalige US-Botschafter in Serbien, Cameron Phelps Munter, der Präsident des East-West-Instituts in Belgrad ist und die Idee ausarbeiten ließ. Aber auch der Sohn von George Soros, Alex Soros, lobbyiert seit vielen Monaten für die Idee. Der ehemalige österreichische Diplomat Wolfgang Petritsch, der über einen Beratervertrag mit der Wiener Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger & Partner (LGP) die serbische Regierung und Vučić berät, ist ebenfalls Teil des Vorhabens.

Auf Anfrage des STANDARD, wie viel Geld die serbische Regierung der Kanzlei LGP zahlt, antwortet Gabriel Lansky: "Wie Sie hoffentlich nachvollziehen können, zielen die meisten Ihrer Fragen auf ebenjene Vertragsdetails ab, zu denen ich keine Stellungnahme abgeben kann." Petritsch sei seit 2014 als Berater ("Of Counsel") und Mitglied des Senior Expert Council in der Kanzlei tätig. Das Interesse von LGP bestehe darin, "dass wir als internationale Wirtschaftskanzlei zahlreiche Klienten aus dem Westbalkan vertreten, aber auch Mandanten aus der EU mit Geschäftsinteressen am Balkan beraten".

Merkel dagegen

Auch die serbische Regierung hat bisher keine Antwort darauf gegeben, wie viel Geld für die Beratungstätigkeiten ausgegeben wird. Publik wurde allerdings der Fall des ehemaligen britischen Premiers Tony Blair, der ebenfalls für den Gebietsaustausch lobbyierte, indem er etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel darauf ansprach. Merkel ist übrigens die einzige unter den Staats- und Regierungschefs der EU, die klargemacht hat, dass ein Gebietsaustausch nicht infrage kommt und die Grenzen auf dem Balkan nicht verändert werden dürfen.

Doch Deutschland sitzt nicht im UN-Sicherheitsrat – Frankreich schon und unterstützt die Idee durchaus. In Österreich ist man gespalten: Während Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dafür ist, ist das Außenministerium – dort sitzen die Experten – mehr als skeptisch. Eine wichtige Rolle spielt auch Ivan Vejvoda, ein serbischer Politologe, der beste Kontakte in die USA und zu den serbischen Eliten hat und in Wien beim Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) arbeitet. Präsentiert wurde die Idee vom Gebietsaustausch erstmals beim Forum Alpbach im August und löste sofort Schockwellen auf dem Balkan aus – insbesondere in Bosnien-Herzegowina, wo völkische Nationalisten seit Jahrzehnten versuchen, Grenzen nach ethnischen Kriterien zu ziehen. Die Idee von Großserbien – wie man es in den 1990ern anvisierte – führte zu drei Kriegen und mehr als 100.000 Toten, ethnischen Säuberungen und Massengewalt.

"Belgrad fand Partner in Tirana"

Die Idee eines Gebietsaustauschs nach ethnischen Kriterien findet aber auch in Albanien Anklang. Premier Edi Rama präsentiert sich schon seit einigen Jahren als der große "Albanerführer" in der Region und setzt damit auf die gleiche völkische Karte wie Vučić. Die Präsidentin des serbischen Helsinki-Komitees für Menschenrechte, Sonja Biserko, meint dazu: "Tatsächlich hat Belgrad einen Partner in Tirana gesucht und ihn schließlich in der Person des albanischen Premierministers Edi Rama gefunden. Vor zwei Jahren, als Rama in Niš war, begannen sie mit Arrangements, die Washington und London damals ablehnten." Der Aufteilungsplan sei aber in Belgrad geboren worden. "Er war immer im Umlauf, entweder offen oder versteckt", so Biserko.

Tatsächlich sendet Rama immer mehr Signale in Richtung der Schaffung eines "Großalbanien" aus. Er will sogar die Grenzkontrollen zwischen dem Kosovo und Albanien ganz aufheben und nur einen Präsidenten für die beiden Staaten. Vučić geht es ohnehin nur um die "Abgrenzung von den Albanern", also darum, ein einheitliches serbisches Gebiet zu schaffen. Manche vergleichen die Politik der beiden selbsternannten Balkanführer gegenüber dem Kosovo mit jener der damaligen Präsidenten Kroatiens und Serbiens, Franjo Tuđman und Slobodan Milošević, gegenüber Bosnien-Herzegowina. Tuđman und Milošević wollten den zentralbalkanischen Staat untereinander aufteilen.

Verfassungswidrige Vorschläge

Tatsächlich geht es bei dem von der EU geführten Dialog darum, dass Serbien und der Kosovo (also zwei Staaten und nicht zwei Volksgruppen) ihr Verhältnis zueinander normalisieren, damit Serbien weiter Richtung EU gehen kann. Dies wird nun umgedeutet. Und die USA unter Donald Trump haben ihre Position offensichtlich aufgeweicht. Bisher galt immer, dass Grenzänderungen nicht infrage kommen – diese wären auch im Kosovo verfassungswidrig und würden dem Ahtisaari-Plan widersprechen, der rechtlich noch über der Verfassung des Kosovo steht. Die Kontaktgruppe hatte vor den Kosovo-Verhandlungen 2006 auch jegliche Grenzänderung und jeglichen Anschluss von Gebieten an einen anderen Staat ausgeschlossen.

Viele Menschen in der Region befürchten nun, dass die Zuspitzung des Streits zwischen dem Kosovo und Serbien inszeniert ist, um dann im Februar so zu tun, als sei man in einer großen Friedensanstrengung zu einer guten Lösung gekommen – der Aufteilung des Kosovo, die dann als notwendig porträtiert werden soll. Etwa 50 zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Kosovo und Serbien haben sich bereits im Sommer gegen einen Gebietsaustausch nach ethnischen Kriterien ausgesprochen und der zuständigen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini geschrieben. Es ging ihnen auch darum, darauf hinzuweisen, dass es keinesfalls einen Konsens zwischen dem Kosovo und Serbien in dieser Frage gibt – im Kosovo sind die meisten Politiker außer Thaçi dagegen. (Adelheid Wölfl, 12.12.2018)