Im National Air and Space Museum in Washington werden die Errungenschaften der Luft- und Raumfahrt mitreißend inszeniert.

Foto: Eric Long, Smithsonian

Wer ins National Air and Space Museum in Washington geht, bekommt ein Gefühl dafür, was die technischen Errungenschaften von Luft- und Raumfahrt für die USA bedeuten. Zu sehen sind große, imposante Maschinen oder zentrale Bestandteile von ihnen, von der Spitze eines Jumbo-Jets bis zu einem Mondlander, wie er in der Apollo-Serie der Raumfahrtbehörde Nasa verwendet wurde. US-Amerikaner, die die Bedeutung von Wissenschaft verstehen, können auch von enormen Fortschritten in anderen, nicht so deutlich sichtbaren Bereichen berichten: in der medizinischen Forschung zum Beispiel.

Rush Holt, Direktor der Wissenschaftsgesellschaft American Association for the Advancement of Science (AAAS) und damit Herausgeber des Magazins "Science", schwärmte von derzeit großen Entwicklungsmöglichkeiten – eigentlich in allen Bereichen der Wissenschaft. Noch vor etwa einem Jahr ziemlich realistische Bedrohungsszenarien hätten sich nicht bewahrheitet.

Die Trump-Administration wollte Kürzungen bei den Forschungsförderungen, der amerikanische Kongress verhinderte das letztlich im Großen und Ganzen, erzählte Holt vor Journalisten aus Österreich. Der Besuch fand anlässlich des alljährlichen Austrian Research and Innovation Talk (ARIT) statt, den das Office of Science and Technology Austria (OSTA) im Auftrag von Wissenschafts- und Verkehrsministerium diesmal in Washington veranstaltete.

Dennoch scheint es Grund zur Sorge zu geben: Brendon Busteed, Präsident von Kaplan University Partners, sieht eine kritische Situation für das amerikanische Hochschulsystem, einen der zentralen Träger der wissenschaftlichen Forschung. "Die Stimmung im Land", der Aufstieg von Klimawandelskeptikern in Top-Positionen, Einreiseverbote gegenüber einigen Ländern ("Muslim Ban"), hielten immer mehr Interessierte ab, sich als Studierende zu bewerben.

Probleme bei der Wiedereinreise

Die Rückgänge belaufen sich je nach Bildungsinstitution auf sechs bis 20 Prozent, was starke finanzielle Einbrüche mit sich bringt. Auch Marcia McNutt, Präsidentin der National Academy of Science NAS, bestätigt das: Einige Dekane hätten ihr davon erzählt. Sie erwähnt außerdem Wiedereinreiseprobleme von Studierenden, denen nach einem Kurzaufenthalt in der Heimat die Rückkehr zumindest kurzfristig verwehrt wurde. Das soll dem Vernehmen nach aber auch schon unter dem als liberal bekannten Ex-Präsidenten Barack Obama passiert sein.

McNutt sieht auch positive Entwicklungen. Budgets würden schneller als in früheren Jahren beschlossen werden. Trotzdem herrscht bei Intellektuellen, die über die Zukunft nachdenken, große Unsicherheit. Busteed sieht einen Einbruch der Gründeraktivitäten in den USA. Zuletzt wurden laut dem Magazin "Fortune" 43 Prozent der amerikanischen Unternehmen von Migranten oder ihren Kindern geleitet.

Verrückter Online-Trend

Der Manager der vor allem Fernstudien anbietenden Kaplan University sieht aber noch zwei weitere Trends, die dem Hochschulsystem im Land nicht guttun würden. Immer mehr Studenten wollen Diplome über Online-Kurse erwerben, selbst dann, wenn sie auf dem Campus einer Universität sind. "Ein wirklich verrückter Trend" sagt Busteed kopfschüttelnd. Und im Wettbewerb um die besten Studierenden würden einige Hochschulen zu merkwürdigen Marketingmaßnahmen greifen, große Errungenschaften für die Freizeitgestaltung anbieten, aber zu wenig Geld für bessere inhaltliche Angebote haben.

Wirkliche Finanzierungsprobleme werden nur von Klimaforschern berichtet. Unterstützungen für einzelne Institutionen seien reduziert worden. Die Wissenschafter klagen, sie hätten Probleme, ihre Anträge durchzubringen. Man neigt hier aber dazu, der Lage dennoch positive Aspekte abzugewinnen. Optimismus als Lebensmotto: Die Lage werde irgendwann einmal wieder besser werden. Die Frage, ob die Welt noch so viel Zeit habe, wird aber mit einem ratlosen Achselzucken beantwortet.

Beobachter sehen Möglichkeiten, die Ablehnung proaktiv zu umgehen. "Die Wissenschafter müssen dann andere thematische Schwerpunkte setzen, um dennoch zum gleichen Ziel zu kommen, ihren Antrag vielleicht 'Neue Wege zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft' und nicht Klimaforschung nennen", sagt Hubert Zajicek, gebürtiger Österreicher, Co-Gründer und Vorstandschef einer Institution, die Healthcare-Start-ups in einer anfänglichen Entwicklungsphase unterstützt, des Health Wildcatters Accelerator.

Frage der Wortwahl

Prachi Vakharia ist Managing Director und Gründerin des Frauennetzwerks Womanium, die in Washington an der Entwicklung von selbstfahrenden Autos und künftigen Mobilitätskonzepten arbeitet. Sie meinte, in Anträgen könnte es vielleicht helfen, statt Klimawandel "Conservation", also zum Beispiel die Erhaltung von Lebensräumen zu schreiben.

Wahrscheinlich ist ja die derzeitige politische Lage in den USA nicht der Grund, sondern ein Symptom einer weltweiten Krise. Fakten werden mehr denn je angezweifelt, Fake-News verbreiten sich dank Social Media wie Lauffeuer und werden trotz glaubhafter Gegendarstellungen von vielen ihrer Konsumenten lieber geglaubt als die Tatsachen, weil sie in der entsprechenden Lebenssituation zu Bildern und Vorurteilen passen – ob diese nun den menschengemachten Klimawandel oder die Erfolgsgeschichte des Impfens betreffen. Rush Holt bestätigt, er habe noch nie so viel Missachtung für die Wissenschaft erlebt wie jetzt – im Alltag, in der Gesellschaft, in der Politik. Das bereite ihm "schlaflose Nächte".

Ob man Fehler in der Vermittlung der wissenschaftlichen Fakten gemacht habe? "Wahrscheinlich habe ich auch Fehler gemacht", sagt er. Der studierte Physiker schloss sich den Demokraten an und war von 1999 bis 2015 im US-Repräsentantenhaus. Einen schnellen Ausweg sieht er genauso wenig wie andere Wissenschafter: Wir müssen die Leute aufklären, heißt es in diesen Tagen in Washington. Man gibt sich kämpferisch, betont, dabei sachlich bleiben zu müssen. Für die American Association for the Advancement of Science bedeutet das auch, sich "force for science" ("Kraft für die Wissenschaft") zu nennen, also noch mehr als bisher für Wissenschaftskommunikation zu tun. (Peter Illetschko aus Washington, 12.12.2018)