Seitdem Mode ein Teil der Popkultur geworden ist, fühlt sich jeder als Fashion-Experte. So billig kann der eigene Schweißschuh gar nicht sein, über Crocs rümpft man trotzdem kennerhaft die Nase. So schlecht kann der Polyesteranzug gar nicht sitzen, Sportmode im Büro findet man übel. Belegt wird das dann mit dem einzigen Modezitat, das wirklich jeder kennt. 2012 sagte der scharfzüngige Modezar Karl Lagerfeld in einer deutschen Talkshow, wer eine Jogginghose trage, habe die Kontrolle über sein Leben verloren.

Klingt gut, stimmt aber leider schon lange nicht mehr. Damals waren die extrem schmalen Anzüge von Hedi Slimane noch immer einigermaßen angesagt. Aber die Zeiten ändern sich: Inzwischen wirkt Slimane hängengeblieben, er entwirft für Celine den ewig gleichen alternden Rockstar-Style. Cool ist das schon lange nicht mehr. Lagerfeld hingegen hat sich weiterentwickelt, natürlich designt er mittlerweile auch Jogginghosen. Athleisure ist schließlich der Trend der Stunde.

Uggs sind die Basic-Bitch-Uniform der Gegenwart.
Foto: Humanic

Steter Wandel

Überhaupt ist ein anderes Zitat von Lagerfeld aus dem Jahr 2004 viel besser, weil es die Wandelbarkeit der Mode auf den Punkt bringt: "Was ich sage, ist nur gültig, wenn ich es gerade sage." Worüber man heute noch meckert, hat morgen schon jeder an. So individuell, wie wir alle tun, sind wir nämlich nicht. Erstaunlich, wer inzwischen mit klobigen Turnschuhen rumläuft. In der Mode gilt: Sag niemals nie.

Der nächste Fashion-Aufregung steht schon vor der Tür: Die Ugg Boots feiern ein Comeback. Schuhe, die schon immer polarisiert haben. Wir erinnern uns, Paris Hilton und anderen Promis trugen die bequemen Latschen, wenn sie aus ihrem Privatjet stiegen.

Auf dem Arm ein Minihündchen, an den Füßen bequemes Understatement. In den frühen Nullerjahren waren die klobigen Fellschuhe des US-Unternehmens Deckers Outdoor Corporation, was die Birkenstocks heute sind: die bequeme Antwort auf den Stöckelschuhzwang. Es gab praktisch keinen weiblichen Star, den man nicht mit Uggs sah.

Für Surfer

In Australien erfunden und bei Surfern beliebt, weil sie die Füße warm halten, brachte Ugg-Gründer Brian Smith 1978 das Konzept ausgerechnet ins klimatisch bevorzugte Kalifornien. Trotzdem wurden die Treter ein Lifestyle-Must-have. 1994 war in "US Today" ein Foto von Pamela Anderson am Set von "Baywatch" mit Uggs zu sehen.

2007 bezeichnete die Tierschützerin Anderson das übrigens als "größten Fehler ihres Lebens". Wer glaube, das massenhafte Scheren der Schafe würde diesen keine Schmerzen bereiten, sei naiv, erklärte sie nach einem Firmenbesuch.

Die meisten anderen Stars interessierte das wenig: Talkshow-Diva Oprah Winfrey gab die Schuhe 2003 auf ihre Liste mit Lieblingsdingen. Uggs standen wie die Trainingsanzüge von Juicy Couture für die überdrehten, nicht gerade geschmackssicheren 2000er-Jahre. Von Kate Moss bis Rihanna, jeder hatte Uggs, die schon bald in die Einkaufszentren der Welt überschwappten. Spätestens 2011 war der Zenit erreicht, Modezeitschriften setzten Uggs auf die Liste der Trends, von denen man hofft, sie würden endlich verschwinden.

Foto: AFP / Bertrand Guay

Sie sind trotzdem geblieben: Jeden Winter ziehen Horden von Girls damit durch die Straßen, tragen Uggs zu Leggings, Michael-Kors-Taschen am Arm, dazu Caffè Latte von Starbucks: die Basic-Bitch-Uniform der Gegenwart. Also eigentlich das Gegenteil von elitärer Mode, weil viel zu breitenwirksam und massentauglich. Aber Fashion liebt gerade Normcore: Es ist angesagt, wie die eigenen Eltern auszusehen. Das Gewöhnliche ist das Besondere.

"Der klassische Ugg ist ein Schuh, den man sofort wiedererkennt. Er ist ein Statement", sagt Glenn Martens, Kreativdirektor des innovativen Labels Y/Project, das wie eine popkulturelle Version von Maison Margiela Kleidungsstücke dekonstruiert und überraschend neu zusammenbastelt.

Diesen Herbst hat er die Uggs einer Frischzellenkur unterzogen: Das Modell wirkt, als hätte man mehrere Uggs ineinandergesteckt (siehe Foto). Sie reichen über die Knie, als sei man ein Inuk in der Arktis. "In Uggs fühlt man sich, als wären die Füße in Butter. Was kann es Besseres geben", fragt Martens – und hat natürlich eine Antwort bereit: "Die Oberschenkel in Butter zu betten." Ein Look, der freilich nicht für jeden tauglich ist.

Limitierte Uggs

Er ist nicht der Einzige, der Uggs plötzlich wieder hip findet. Designer und DJ Heron Preston, eines der Cool Kids im Business, der gemeinsam mit dem neuen Louis-Vuitton-Menswear-Chef Virgil Abloh und mit Matthew Williams von Alyx vor einigen Jahren das Kult-Streetwear-Label Been Trill betrieb, hat eine limitierte Ugg-Kollektion entworfen.

Und das japanische Luxus-Hipster-Label Sacai hat Uggs mit Socken darauf kreiert. Keine Frage, die viel geschmähten, hässlichen Uggs sind in der High Fashion angekommen. Die angesagten Chunky Sneakers haben ihr Winterpendant gefunden. Und wer heute noch schimpft, der kauft spätestens morgen. (Karin Cerny, RONDO, 18.12.2018)

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Heiße Sommertage hindern Fans nicht daran, Stiefel im Ugg-Boot-Style zu tragen.
Foto: Getty Images/ southerlycourse