Veronica Kaup-Hasler ist seit Mai 2018 Kulturstadträtin in Wien.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Welche Anforderungen haben Sie an das "neue" Volkstheater?

Kaup-Hasler: Ich finde wichtig, dass sich das Haus klar mit dieser Stadt auseinandersetzt, mit seiner sich verändernden Bevölkerungsstruktur. Dass das Haus in einen Dialog mit dem lokalen wie internationalen freien Theaterschaffen tritt, dass es durchlässiger wird. Ich wünsche mir, dass diese gläsernen Decken verschwinden. Abschottungen sehe ich immer als problematisch, denn Innovationen erwachsen meist aus dem freien Kunstschaffen.

STANDARD: Welche "Visionen" haben Ihre Kaffeehausgespräche bisher zutage befördert?

Kaup-Hasler: Auf eines können sich alle einigen: Es gibt das heiße Verlangen nach einem gesellschaftspolitisch wachen Theater. Das Theater mit dem größten anarchischen Potenzial sozusagen, mit der schärfsten Kontur. Es soll als das Theater der Citoyens, der Bürger, wahrgenommen werden.

STANDARD: Braucht es – neben Burg-/Akademietheater und der Josefstadt – ein drittes beziehungsweise viertes Repertoiretheater?

Kaup-Hasler: Nicht zwingend. Wenn man mir wirtschaftlich schlüssig erklärt, warum es kein Repertoiretheater sein kann, weil man zum Beispiel en suite spielt und auf Tournee geht, dann muss es aus meiner Sicht kein Repertoirebetrieb sein. Da habe ich keine Präferenz.

STANDARD: Es gibt die Mischform-Idee: Schrumpfensemble mit Gästen. Ein finanzieller Kompromiss?

Kaup-Hasler: Es wäre völlig falsch, sich in dieser Diskussion von finanziellen Überlegungen leiten zu lassen. Man muss ganz strikt künstlerisch denken. Es gibt viele mögliche Modelle, sie müssen nur stimmig sein. Vieles hängt von konkreten Menschen ab. Denn wenn ich mir überlege, welcher Person oder welchem Kollektiv ich zutraue, dieses Haus wirklich zu stemmen, da wird die Suppe schon wieder recht dünn.

STANDARD: Seit jeher gibt es den Ruf nach finanzieller Aufstockung des Volkstheaters. Warum wurde dieses Haus immer übergangen?

Kaup-Hasler: Ehrlich gesagt, das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich vermute, die notwendigen Mittel wären so groß gewesen, dass dieser Sprung stets hinausgezögert wurde. Wir haben nun gemeinsam mit dem Bund zumindest die überfällige Sanierung gewährleistet. Das sind 24 Millionen Euro. Zudem hat die Stadt eine Anhebung der Förderung beschlossen. Aber das wird à la longue nicht reichen. Es muss auf Bundesebene mehr gekämpft werden, damit im Länderausgleich auf anderem Niveau verhandelt werden kann. (Margarete Affenzeller, 13.12.2018)