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Wien – Das Hilfswerk fordert den Ausbau der mobilen Pflegedienste. Nur damit ließe sich der Kostenpfad dämpfen, dies zeige auch eine Wifo-Studie, die vom Hilfswerk in Auftrag gegeben wurde, erklärte Präsident Othmar Karas am Montag bei einer Pressekonferenz. Die Bundesregierung fokussiere in ihrem "Masterplan Pflege" die mobilen Dienste, sah sich Karas bestätigt.

In Österreich werden 84 Prozent aller Pflegegeldbezieher zu Hause gepflegt. 45 Prozent davon ausschließlich von Angehörigen, 32 Prozent werden von mobilen Pflegediensten unterstützt. Eine 24-Stunden-Betreuung wird von 5 Prozent in Anspruch genommen, 2 Prozent nutzen teilstationäre Einrichtungen. Rund 16 Prozent werden stationär im Heim gepflegt. Insgesamt gibt es rund 455.000 Anspruchsberechtigte auf Pflegegeld.

Die jährlichen Nettoausgaben, also der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand für alle Pflegedienste inklusive der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung belaufen sich auf rund 2,1 Mrd. Euro. Der Großteil, rund 1,4 Mrd. Euro entfällt laut Angaben des Hilfswerks auf stationäre Dienste (75.000 betreute Personen). Etwa 400 Mio. Euro werden für mobile Dienste ausgegeben (150.000 betreute Personen), 150 Mio. Euro für die Förderung der 24-Stunden-Betreuung (35.000 betreute Personen).

In den kommenden Jahrzehnten wird sich die Zahl an alten Menschen in Österreich sowohl absolut als auch relativ zu jüngeren Menschen stark erhöhen. Bleibt der Versorgungsmix im Pflegesystem in etwa so wie er derzeit ist, ist daher bis zum Jahr 2030 mit erheblichen Kostensteigerungen zu rechnen, nämlich plus 80,7 Prozent im Vergleich zum Jahr 2016. Bis 2050, wenn die Generation Baby-Boomer ihren 85. Geburtstag erlebt hat, steigen diese um 332,5 Prozent gegenüber 2016, geht aus der Wifo-Studie hervor.

Für die Untersuchung wurden mögliche Szenarien gegenüber gestellt, in denen durch pflegepolitische Maßnahmen Verschiebungseffekte erreicht werden. Die Zahl der betreuten Personen in der stationären/mobilen/informellen Pflege bzw. der 24-Stunden-Betreuung wurden um 5, 10 und 20 Prozent im Basisjahr erhöht. Wird der Anteil der betreuten Personen in der stationären Pflege um 10 Prozent erhöht, würden die Nettoausgaben für alle Dienste auf 4,04 Mrd. Euro im Jahr 2030 steigen (+6,8 Prozent). Der Personalbedarf für alle Dienste würde um 3.975 Vollzeitäquivalente steigen.

Wird dagegen der Anteil der mobil betreuten Personen um 10 Prozent erhöht, sinken die Nettoausgaben auf 3,15 Mrd. Euro (-7,1 Prozent). Auch der Personalbedarf reduziere sich um 4.462 Vollzeitäquivalente. Autorin Ulrike Famira-Mühlberger stellte fest: "Der Ausbau der stationären Pflege wird aufgrund der demografischen Entwicklung weiter nötig sein, aber mit dem Ausbau der mobilen Pflege kann man den Kostenpfad dämpfen."

Das Hilfswerk schloss aus den Studienergebnissen, dass es einen innovativen Ausbau mobiler Dienste braucht. Für die pflegenden Angehörigen werden ergänzende Angebote zur Entlastung gefordert. Auch sollte es weniger Bürokratie und bessere Arbeitsbedingungen geben. Karas pocht auch auf die gesellschaftliche Wertschätzung und die Anrechnung auf die Pensionszeiten: "Die Vorteile der mobilen Dienste stehen außer Zweifel." Der ÖVP-Europaabgeordnete sprach sich auch für europaweite Mindeststandards aus, denn: "Die Zersplitterung führt nicht immer zu mehr Gerechtigkeit."

Die Abschaffung des Regresses wiederum habe man zwar begrüßt, es brauche aber eine umfassende Reform, Karas ortet hier eine "Schieflage, die derzeit nicht saniert ist". Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm forderte unter anderem bessere Möglichkeiten, ausländische Fachkräfte zu gewinnen, etwa durch die regionalisierte Mangelberufsliste und eine einfachere Nostrifizierung von im Ausland erworbener Ausbildungen.

In Österreich sind von den rund 947.000 pflegenden Angehörigen schon 50 Prozent selbst in Pension. Das Durchschnittsalter beträgt knapp über 60 Jahre. 73 Prozent von ihnen sind Frauen. "Die 24-Stunden-Pflege ist zweifellos wichtig, wird aber in der politischen Diskussion quantitativ völlig überschätzt", verwies auch Anselm auf die mobilen Dienste.

Wie sieht die Lage im Pflegebereich konkret aus? Daten der Statistik Austria:

Im Pflegebereich sind im Jahr 2017 149.442 Personen durch mobile Dienste zu Hause gepflegt worden, 82.485 Personen befanden sich stationär im Pflegeheim. Das geht aus den neuesten Daten der Statistik Austria hervor, die am Montag veröffentlicht wurden. Die Netto-Ausgaben der öffentlichen Hand (Länder und Gemeinden) in diesem Bereich lagen im Vorjahr bei 1,99 Mrd. Euro.

Von den insgesamt 252.890 Personen, die auf Sachleistungen (in Form von stationärer oder mobiler Pflege, was in der Kompetenz von Ländern und Gemeinden liegt) zurückgriffen, entfielen 59 Prozent auf den häuslichen Bereich. Knapp drei Viertel (74 Prozent) der zu Hause betreuten Personen waren mindestens 75 Jahre alt.

Außer Haus wurden mit 82.485 Personen die meisten Betroffenen in stationären Einrichtungen (Pflegeheimen, Pflegewohnhäusern und ähnlichen Einrichtungen) betreut, weitere 9.640 nahmen eine stationäre Kurzzeitpflege in Anspruch.

In alternativen Wohnformen ohne ständige Betreuung (betreutes Wohnen) lebten 3.395 Personen. 7.928 im eigenen Heim wohnende Menschen wurden tagsüber durch teilstationäre Dienste (Tagesstätten, Tageszentren) betreut bzw. verpflegt. Der Anteil der mindestens 75-Jährigen war laut Statistik Austria mit 76 Prozent in der außerhäuslichen Betreuung und Pflege etwas höher als bei den mobilen Diensten.

Mobile Betreuung nimmt zu

Bei jenen, die durch mobile Dienste zu Hause betreut wurden, gab es in den letzten fünf Jahren (2012 bis 2017) eine Zunahme um 13 Prozent. Der Zuwachs in diesem Bereich war damit höher als jener im stationären Segment, wo es (inklusive alternativer Wohnformen) ein Plus von neun Prozent gab. Am stärksten wuchs der (kleinere) Bereich der teilstationären Tagesbetreuung (plus 32 Prozent).

Die Veränderungen fielen je nach Bundesland recht unterschiedlich aus. Bei den mobilen Dienste gab es Zuwächse von vier Prozent (in Kärnten und Vorarlberg) bis hin zu 27 Prozent in Tirol. Im stationären Bereich (inklusive der alternativen Wohnformen) reichte die Bandbreite der Veränderung laut Statistik Austria von einem Minus von sechs Prozent in Wien bis hin zu einem Plus von 45 Prozent im Burgenland.

Sowohl die zu Pflegenden selbst als auch die Betreuungsfachkräfte sind zum Großteil weiblich. Im Schnitt waren im Vorjahr 68 Prozent der Betreuten Frauen und mehr als drei Viertel (88 Prozent) des Personals weiblich. Der Personalstand der Betreuungs- und Pflegedienste lag Ende 2017 bei insgesamt rund 66.800 Voll- und Teilzeitbeschäftigten, das entsprach 47.900 Vollzeitäquivalenten. Knapp zwei Drittel der Beschäftigten arbeitete im stationären Bereich.

3,5 Milliarden Euro für Pflege

Die Ausgaben für Betreuungs- und Pflegedienste lagen 2017 insgesamt bei rund 3,5 Mrd. Euro. Mehr als die Hälfte davon (56 Prozent) steuerten die Länder und Gemeinden aus Mitteln der Sozialhilfe oder Mindestsicherung bei. Die betreuten Personen selbst hatten 39 Prozent davon zu bestreiten, vor allem aus deren Pensionen und Pflegegeldern. Der Rest (5 Prozent) stammte aus anderen Quellen wie dem Landesgesundheitsfonds oder der Krankenversicherung. Dabei entfielen mehr als 80 Prozent der Ausgaben auf den außerhäuslichen Bereich, 18 Prozent auf mobile Dienste.

Damit lagen die Nettoausgaben der öffentlichen Hand bei 1,99 Mrd. Euro. Zwischen 2012 und 2017 gab es einen Anstieg der Bruttoausgaben in diesem Bereich um 16 Prozent (plus 487 Mio. Euro). Die Nettoausgaben wuchsen um 20 Prozent (plus 327 Mio. Euro) an. Grund für den stärkeren prozentuellen Zuwachs bei den Nettoausgabe ist durch das geringere Wachstum bei den Einnahmen aus Beiträgen und Ersätzen begründet.

Nicht umfasst sind in diesen Daten die Ausgaben die Kosten für die 24-Stunden-Betreuung zu Hause sowie jene für Soziale Dienste der Langzeitpflege, die in der Behindertenhilfe oder der Grundversorgung zum Leistungsangebot fallen. Dazu kommt noch der große Brocken des Pflegegeldes, das in Bundeshand ist. Zuletzt bezogen in etwa 460.000 Personen diese Geldleistung, der Jahresaufwand dafür betrug im Jahr 2017 laut Daten der Statistik Austria rund 2,61 Mrd. Euro. (APA, 17.12.2018)