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Es sieht zumindest schon alles nach Baustelle bei der Brückenruine aus.

Foto: Luca Zennaro/ANSa via AP

Zwischen den Resten der eingestürzten Brücke in der italienischen Stadt Genua sind in den vergangenen Tagen schwere Baumaschinen vorgefahren. Doch wie so vieles, was von den Behörden gesagt und angekündigt wurde, war auch das offizielle Einläuten der Abbrucharbeiten vorerst nicht viel mehr als Symbolpolitik: Die noch stehenden Teile sind nach wie vor von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt – die Justiz ist noch damit beschäftigt, Einsturzursache und Schuldige zu ermitteln. Zwar hat der Staatsanwalt am Montag den westlichen Teil der Brücke zum Abbruch freigegeben. Wann auch beim östlichen Teil mit den Arbeiten begonnen werden kann, soll dagegen erst im Februar des nächsten Jahres entschieden werden.

Dennoch versprach Genuas Bürgermeister Marco Bucci, dass die verbliebenen Teile des Morandi-Viadukts bis Ende März 2019 abgerissen und weggeräumt sein werden. Angesichts des Umstands, dass die Arbeiten im Osten frühestens im Februar begonnen werden können, erscheint dies als überaus optimistisch. Da der Viadukt zum Teil über dichtbesiedeltes Gebiet führt, kann er nicht einfach gesprengt werden – zumindest nicht in seiner ganzen Länge -, sondern muss Stück für Stück zersägt und mit Kränen abgebaut werden. Zwei der insgesamt fünf mit dem Abbruch beauftragten Firmen waren schon an der Demontage des Schiffes Costa Concordia beteiligt gewesen, das im Jänner 2012 vor der Insel Giglio gestrandet ist.

Neubau bis Ende 2019 fertig

Unmittelbar nach dem Abschluss der Abbrucharbeiten soll laut Bucci mit dem Bau einer neuen Brücke begonnen werden. Auch hier hat sich der Sonderkommissar ein Ziel gesetzt, das angesichts der bürokratischen, gerichtlichen und technischen Hindernisse als unrealistisch eingeschätzt werden muss: Der Neubau soll laut Bucci bis Ende 2019 dem Verkehr übergeben werden. Wie für den Abbruch soll auch für den Neubau ein Konsortium beauftragt werden. Der Entscheid über die Bauvergabe soll in dieser Woche erfolgen; fest steht bisher einzig, dass der Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia von den Arbeiten ausgeschlossen werden soll. Dagegen will sich das Unternehmen gerichtlich wehren.

Der Neubau inklusive des Abbruchs der alten Brücke soll laut Schätzungen des Sonderkommissars 430 Millionen Euro kosten. Auch die Prognose bezüglich der Kosten wirkt optimistisch. Zur Auswahl stehen die Projektentwürfe zweier Architekturstars: einer des Genuesen Renzo Piano und drei des Spaniers Santiago Calatrava. Pianos Entwurf wird dem Vernehmen nach von den Behörden bevorzugt; Anwohnern und Experten gefallen die Entwürfe Calatravas besser.

"Symbol der Wiedergeburt"

"Dies ist ein wichtiger Augenblick für das ganze Land", kommentierte Verkehrsminister Danilo Toninelli die Vergabe der Abbrucharbeiten. "Genua muss zum Symbol der Wiedergeburt Italiens werden." Bisher ist die Brücke freilich eher ein Sinnbild für den Niedergang des Landes unter der neuen Populistenregierung aus der Protestbewegung Fünf Sterne und der rechtsradikalen Lega gewesen. So hatte es zum Beispiel fast zwei Monate gedauert, bis die Regierung ein Dekret zum Wiederaufbau der Brücke verabschiedet hatte – und dieses wurde in der Zwischenzeit dutzende Male abgeändert. Immerhin haben die rund 250 Familien, die obdachlos geworden waren, wieder ein Dach über dem Kopf.

Aufgrund der bisherigen Negativerfahrungen schlägt Toninelli in Genua große Skepsis entgegen. "Wir erwarten eine neue Brücke nicht vor vier oder fünf Jahren", erklärte der Anwohner Luca Boscolo gegenüber dem STANDARD. Der 41-Jährige weist darauf hin, dass die Behörden das Kunststück fertiggebracht hätten, den letzten Lkw erst in der vergangenen Woche von der eingestürzten Brücke abzuschleppen – vier Monate nach dem Einsturz. "In der Stadt herrscht inzwischen allgemeine Resignation", betont Boscolo. (Dominik Straub aus Rom, 17.12.2018)