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Amazon & Co drehen permanent an der Preisschraube.

Foto: AP/Zalubowski

Herr K. hat einen Plan. Er will Bekannte in Italien besuchen. Also sucht er mögliche Flüge mit seinem Smartphone – kurz vor der Buchung kommt ihm allerdings etwas dazwischen. Als Herr K. dann wenige Stunden später den Flug doch fixieren möchte, wundert er sich: Er ist plötzlich um einige Euro teurer geworden.

Viele Österreicher kennen diese Praxis seit längerem, und zwar von Tankstellen. Hier konnte sich der Preis für einen Liter Sprit an nur einem Tag unzählige Male ändern. Seit 2011 gibt es mit der Spritpreisverordnung in diesem Zusammenhang eine Reglementierung. Die Tankstellenbetreiber dürfen den Preis nur noch einmal täglich um 12 Uhr erhöhen. Preissenkungen sind im Gegenzug jederzeit möglich. Bis 31. Dezember 2019 läuft dieser gesetzliche Rahmen noch.

Immer mehr Menschen kaufen online ein

Seit der 2011 eingeführten Verordnung hat sich auch die Art, wie Menschen einkaufen und ihre Flüge buchen, stark verändert. Statt Lebensmittel und Elektronikgeräte im stationären Handel zu erstehen, kaufen immer mehr Nutzer online ein. Das Smartphone hat es ermöglicht, dass man auch im Nirgendwo jederzeit shoppen kann. Bei der Buchung von Flügen gab es ebenso eine Trendwende: Statt ins Reisebüro zu gehen, übernehmen dies viele Menschen mittlerweile selber.

Da es im Internet keine räumlichen Grenzen gibt, konkurriert im Grunde weltweit jeder Anbieter miteinander. Wenn ein Händler oder eine Fluglinie das Produkt oder den Flug zum Bestpreis anbietet, wieso sollte ich also auf die Konkurrenz zurückgreifen? Um im harten Wettbewerb im Netz bestehen zu können, setzen immer mehr Onlinehändler und Fluglinien auf eine sogenannte dynamische Preisgestaltung. Anhand mehrerer Faktoren wird dann ein Preis für ein Produkt berechnet und abgeändert. Täglich und noch dazu unzählige Male.

24 Buchungsklassen bei nur einem Flug

Fluglinien setzen schon länger auf diese dynamische Preisgestaltung. Austrian-Airlines-Kommunikationschef Peter N. Thier bestätigt gegenüber dem STANDARD, dass sich die Preise für einen Flug "laufend nach oben und unten" verändern. Die Basispreise sind laut Thier bei einem Flug in 24 Buchungsklassen unterteilt. "Ist eine Klasse ausgebucht, wird sie geschlossen, und der Preis steigt. Das geht natürlich auch in die umgekehrte Richtung, wenn reservierte Tickets zum Beispiel von Reisebüros zurückgegeben werden. Dadurch kann der Preis wieder fallen", sagt der Kommunikationschef.

Die Lufthansa-Tochter berücksichtigt bei der Preisgestaltung vorrangig den Markt, die Zeit und die Auslastung. Im Grunde werden die Kosten für einen Flug also durchgehend durch Nachfrage und Angebot bestimmt. Dass so ein stark automatisiertes System nicht immer perfekt ist, zeigen sogenannte Error Fares. Das sind Flüge, die von der eingesetzten Software zu Spottpreisen angeboten werden. Laut Thier kommt das auch bei der AUA vor – hier wird aber schnell manuell eingegriffen.

Mit dem Smartphone wird es teurer

Preisliche Unterschiede je nachdem, ob man mit einem Smartphone oder einem PC bucht, gibt es bei der AUA übrigens nicht. Dass diese Preisdiskriminierung anderweitig besteht, veranschaulicht eine Studie der Arbeiterkammer. Die Reisesuchmaschine Orbitz zeigte iPhone-Nutzern etwa teurere Zimmer an als solchen, die mit einem Windows-Computer ein Hotel suchten. Das ist im Onlinehandel mittlerweile gängige Praxis geworden. Rabatte werden etwa nur Nutzern mit stationären Rechnern angezeigt, in der Regel zahlt man beim Shoppen mit dem Smartphone per App oder Browser am meisten.

Damit nicht genug, gäbe es die Möglichkeit, weitere Faktoren wie den Aufenthalt des Käufers oder dessen Internetauftritt, also auch den sozialen Status, in die Preisgestaltung einzubeziehen. Die kürzlich beschlossene Datenschutzgrundverordnung (DSGVO )hat dieser Datensammelwut zum Teil einen Riegel vorgeschoben. Onlinehändler müssen nun das Einverständnis einholen und dürfen auch nur mehr Daten sammeln, die für sie relevant sind. "Dynamische Preisgestaltung beim Onlineshopping ist nicht verboten, kann aber bei Irreführung des Konsumenten unlauterer Wettbewerb sein und basierend auf Verhaltensprofilen unter Umständen Datenschutzrechte verletzen", sagt Daniela Zimmer, Expertin für Konsumentenpolitik bei der AK, gegenüber dem STANDARD.

Wie Amazon an der Preisschraube dreht

Onlinehändler-Primus Amazon ist ein großer Verfechter dynamischer Preisgestaltung. Dem führenden Anbieter wurde bereits nachgewiesen, dass er je nach Endgerät unterschiedliche Preise verrechnet – von Apple-Nutzern wird der höchste Preis verlangt. Ein Amazon-Sprecher betont gegenüber dem STANDARD, dass man diese Praxis nicht mehr verfolge. Sehr wohl schwanken aber die Preise bei Amazon stark, da der US-Konzern "den niedrigsten Preis" bieten möchte.

Dass die dynamische Preisgestaltung mittlerweile auch im stationären Handel Einzug gehalten hat, ist für Konsumenten nur bei einem genaueren Blick bemerkbar. Konkret setzen immer mehr Händler auf elektronische Preisschilder. In 37 Media-Märkten und 15 Saturn-Geschäften sind diese bereits im Einsatz. Auch die Rewe-Gruppe verwendet sie in rund 40 von 1.200 Filialen. Bei Merkur, Billa und Co ist die dynamische Preisgestaltung allerdings "kein Thema", sagt Rewe-Pressesprecher Paul Pöttschacher.

Elektronische Preisschilder

Die elektronischen Preisschilder sind in den Supermärkten im Einsatz, um Papier einzusparen und Mitarbeiter zu entlasten. Die Preise werden laut Pöttschacher einmal in der Woche mit der Aktualisierung des Flugblatts angepasst. Die Elektronikfachhändler nutzen die Technik jedoch sehr wohl, um die Kosten für ein Produkt laufend zu ändern, sagt eine Sprecherin von Media-Markt-Saturn Österreich zum STANDARD. "Dank elektronischer Preisschilder können wir die Preise österreichweit rasch und einheitlich anpassen, sparen wertvolles Papier, und unsere MitarbeiterInnen haben mehr Zeit für wichtige und wertvolle Kundenbetreuung".

Das ist auch den Konsumentenschützern der Arbeiterkammer aufgefallen. Gerade Amazon spielt für die Elektronikfachhändler eine bedeutende Rolle bei der Preisgestaltung. Der Preis wird dort beobachtet und zeitnah im Onlineshop und den Geschäften angepasst. Zimmer sieht die Gefahr einfacherer Preisabsprachen, wenn Unternehmen die Preise der Konkurrenz in Echtzeit überwachen und ebenso rasch darauf reagieren.

Mehr Transparenz gefordert

Letztlich warnt AK-Expertin Zimmer davor, dass dynamische Preisgestaltung auch im stationären Handel Einzug halten könnte. Die Österreicher wollen Beständigkeit beim Preis. Wird mit Produktpreisen zu sehr experimentiert, könnte das Konsumenten vergraulen. Wichtig wäre laut Zimmer volle Transparenz, also beispielsweise Anbieterhinweise, wie oft mit Preisänderungen zu rechnen ist und ob ich abhängig vom benutzten Gerät mehr oder weniger bezahle. Aktuell können Amazon & Co hierbei machen, was sie wollen. (Daniel Koller, 20.12.2018)