VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein (Mitte), Vize Christoph Grabenwarter, Richterin Claudia Kahr und die restlichen Höchstrichter haben geurteilt.

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Flapsig ausgedrückt haben die Richterinnen und Richter am Verfassungsgerichtshof (VfGH) in ihren Entscheidungen über zwei Mindestsicherungsmodelle einmal "Daumen hoch" und einmal "Daumen runter" gezeigt: Oberösterreichs Regelung mit einem grundsätzlichen "Deckel" bei 1.512 Euro erfüllt den Gleichheitsgrundsatz im Wesentlichen, weil es pro Person einen bestimmten Betrag vorsieht. Hingegen ist die im Burgenland verordnete Deckelung pro Haushalt in der Höhe von 1.500 Euro pro Haushalt unabhängig von der Haushaltsgröße – ohne einen bestimmten Mindestbetrag für hinzukommende Personen – verfassungswidrig. Eine ähnliche Regelung in Niederösterreich hatte der VfGH bereits im März gekippt.

Was unterscheidet den "Deckel" in Oberösterreich von dem im Burgenland? Ersterer sieht vor, dass bei größeren Familien oder Bedarfsgemeinschaften die Mindeststandards aller Personen gleichmäßig prozentuell zu kürzen sind. Dabei müssten aber bestimmte Untergrenzen beachtet werden: bei minderjährigen Unterhaltsberechtigten zwölf Prozent, bei volljährigen Anspruchsberechtigten 30 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes. Für jede weitere Person, die dazukommt, sei in jedem Fall ein bestimmter Betrag anzusetzen, was dazu führe, dass der vorgesehene Pauschalbetrag ab einer gewissen Familiengröße um einen bestimmten Betrag zu erhöhen ist, führen die Höchstrichter aus.

Variable Lebenshaltungskosten

Das burgenländische Deckelmodell sah einen fixen Maximalbetrag an Mindestsicherung vor, egal, wie groß der Haushalt nun tatsächlich ist, oder für den Fall, dass sich die Zahl der zu versorgenden Mitglieder verändern sollte. Die VfGH-Richter meinen jedoch: Selbst wenn die Lebenserhaltungskosten pro Person bei zunehmender Größe des Haushalts abnehmen mögen, sei pro weiterer Person ein Aufwand in einiger Höhe erforderlich.

Ein zweites Detail der im rot-blau regierten Burgenland von SPÖ, FPÖ, ÖVP und Teilen der Liste Burgenland beschlossenen Regelung wurde ebenfalls als verfassungswidrig aufgehoben: die vorgesehene Wartefrist. Wer sich in den letzten sechs Jahren nicht mindestens fünf Jahre in Österreich aufgehalten hat, hätte weniger Mindestsicherung erhalten sollen. Geht nicht, sagt der VfGH.

Dieses Erkenntnis werde selbstverständlich respektiert und umgesetzt, kündigte der burgenländische Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) an. Außerdem wolle man sich aktiv in die Erarbeitung einer bundeseinheitlichen Mindestsicherungslösung einbringen.

Bei der Formfrage zeigten sich SPÖ-intern allerdings Auffassungsunterschiede. Der burgenländische SP-Landeschef und baldige Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hatte nämlich schon in der Dienstagausgabe der "Kronen Zeitung" wissen lassen, dass er sich das türkis-blaue Modell der Bundesregierung vorstellen könne. Im Übrigen sei er "für eine konstruktivere Oppositionspolitik und gegen Frontalopposition". Das dürfte in der roten Zentrale in Wien mit irritiertem Interesse vernommen worden sein – und wurde schnell mit einer gemeinsamen Aussendung mit der Forderung nach Verbesserungen des ÖVP-FPÖ-Mindestsicherungsmodells beantwortet. (Lisa Nimmervoll, 19.12.2018)