Ein Pfandsystem samt Rückgabeautomaten soll an belebten Plätzen in Wien aus Coffee-to-go Coffee-to-go-again machen. Die Stadt will im ersten Jahr eine Million Einwegbecher einsparen.

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Kleine und große Erfolge im Kampf gegen das Plastik werden derzeit gefeiert: in der EU, weil man sich auf Einzelheiten zum Verbot von Strohhalmen, Plastiktellern und anderen Plastikprodukten geeinigt hat, die einfach zu ersetzen sind – und in Wien, weil Mitte Jänner des kommenden Jahres ein Pfandsystem für Coffee-to-go-Becher eingeführt werden soll: Die Nutzung ist auf freiwilliger Basis, weil sich die EU-Mitgliedsstaaten nicht auf verbindliche Reduktionsziele für die Verpackungen von To-go-Produkten festgelegt haben, wie die Umweltorganisation Global 2000 kritisiert.

Sechs Automaten sollen im neuen Jahr für eine saubere und umweltfreundliche Stadt sorgen, sie werden an stark frequentierten Orten wie dem Museumsquartier und dem Schwedenplatz aufgestellt, die Becher von 30 Partnerunternehmen kann man dort zurückgeben. Anreiz, das zu tun, schafft ein Euro Pfand, der in den Partnerunternehmen eingelöst werden kann.

Umgerechnet 1344 Fichten

84 Millionen Wegwerfbecher fallen in Wien pro Jahr an. 1.344 Fichten, rechnet Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) vor, würden verschont bleiben, würden alle Einwegbecher von Mehrwegbechern ersetzt. Stecke man die gesamte gesparte Energie in einen Elektrobus, könnten damit 30 Menschen 150-mal um die Welt fahren. Zumindest eine der 84 Millionen will die Stadt im ersten Jahr durch die Rückgabeautomaten einsparen – damit könnte sie zumindest 16 Fichten retten. 70.000 Mehrwegbecher, von denen jeder mindestens 500-mal verwendet werden kann, will Cup Solution, der Partner der Stadt im Automatenprojekt, in Umlauf bringen.

Nach der Einführung von Mehrwegbechern in Bremen vergangene Woche stuften deutsche Experten den Klimanutzen des Systems als begrenzt ein: "Es ist für das Klima weitaus entscheidender, was ich esse, als die Wahl des Kaffeebechers nach dem Essen", sagte Philipp Bruck, Ingenieur von Tara Bremen, das CO2-Ausstöße in Industrie und Gewerbe bilanziert, der Tageszeitung "taz".

Ist das wienerische Pfandsystem also nur ein Tropfen auf den heißen Stein? "Die Verpackung spielt meist eine untergeordnete Rolle gegenüber dem Produkt selbst", sagt Christian Pladerer vom Österreichischen Ökologie-Institut, "Kaffee wächst nicht in Österreich, das gibt einen ökologischen Rückschlag." Für etwa 50 bis 100 Gramm CO2 ist eine Tasse Kaffee verantwortlich, der Mehrwegbecher für fünf, der Einwegbecher für etwa 70 Gramm. Maßnahmen gegeneinander auszuspielen hält Pladerer dennoch für falsch, das würde dazu führen, gar keine Maßnahmen mehr zu setzen.

20 Prozent Mehrweganteil

"Man muss bei jedem Bestandteil eines Systems die Klimaauswirkung betrachten", sagt Georg Gübitz von der Universität für Bodenkultur in Wien, "denn bei jedem Bestandteil kann man zum Klimaschutz beitragen." Jedes Mal, wenn ein Kaffeebecher wiedergenutzt wird, erklärt der Umweltbiotechnologe, spare man die Hälfte des CO2, weil kein neuer produziert werden muss.

Der Mehrweganteil bei Getränken liegt in Österreich derzeit bei etwa 20 Prozent, ein Fünftel der Gebinde wird also wiederverwendet – im internationalen Vergleich ein niedriger Wert, in Deutschland ist er etwa doppelt so hoch. Noch vor 20 Jahren lag der Mehrweganteil in Österreich bei 90 Prozent, bis die Einweg-PET-Flasche den Markt einnahm und Mehrweggebinde sukzessive verdrängte. Einzig bei Bier, teilweise auch bei Mineralwasser, sind Pfandflaschen noch Usus.

Kaffeebecher als Klimasünde sind allerdings ein recht neues Phänomen: "Mit dem Kaffeebecher herumzugehen, das gibt es in Österreich noch nicht so lange", sagt Gübitz, "früher gab es danach kein Bedürfnis."

Einfache Rückgabe essenziell

Das Pfandsystem, mit dem nun gegen Müll und Umweltbelastung vorgegangen wird, steht und fällt, so Pladerer, mit der Akzeptanz der Bevölkerung. Notwendig sei die einfache Rückgabe von Kaffeebechern, etwa im Supermarkt: "Der Aufwand, Leergutautomaten auch auf Becher umzustellen, ist nicht groß, und einen Billa oder Hofer auf dem Weg in die Arbeit haben viele", sagt er.

Doch den ultimativen Anreiz könne ohnehin nur ein gesetzlich verankertes Pfand für Einweggebinde schaffen, meint Pladerer: Müssen die Konsumenten das Leergut ohnehin zurückgeben, greifen sie höchstwahrscheinlich von vornherein zur Mehrwegverpackung. (Gabriele Scherndl, 28.12.2018)