Janine Tomasch entwickelte eine Umgebung für Muskelzellen, in der sich diese so richtig heimisch fühlen können.

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Um Krankheiten und Verletzungen der Muskulatur besser zu verstehen, beobachten Forscher Zellkulturen üblicherweise in kleinen Petrischalen. "Für die Zelle ist es allerdings ein Schock, in eine solche Umgebung zu kommen", sagt Janine Tomasch, Nachwuchsforscherin am Department für Life Science Engineering an der FH Technikum Wien (FHTW).

"Im menschlichen Körper sind die Zellen in einer dreidimensionalen Umgebung und von vielen anderen Zellen umgeben." Wenn man sie aus diesem Umfeld entfernt und auf hartes, zweidimensionales Glas oder Plastik setzt, verändern sie sich – und das beeinflusst die Untersuchungen. In ihrer Masterarbeit hat die 26-jährige Klagenfurterin deshalb eine Umgebung für Muskelzellen entwickelt, in der sich diese so richtig heimisch fühlen können.

Stimuli in der Petrischale

"Ich forsche vor allem an Skelettmuskeln, die unter natürlichen Bedingungen nie lange in Ruhe verharren", erklärt sie. In der Petrischale aber gibt es keine mechanischen Stimuli. Wie man das ändern kann, hat Tomasch in ihrer Arbeit gezeigt: "Zunächst bringt man die Zellen in eine dreidimensionale Umgebung, indem man sie mithilfe von Fibrin in eine gummiringartige Form gießt." Diese Muskelzellringe werden dann auf zwei Haken in den Bioreaktor gespannt, wobei der untere mit einem Magneten versehen ist. Von außen können diese magnetischen Haken über einen mit einem Motor verbundenen Magneten gesteuert werden.

"Wenn der äußere Magnet nach unten zieht, wird der Ring im Bioreaktor gedehnt." Eine gefinkelte Konstruktion, mit der die Muskelzellen wie in ihrer natürlichen Umgebung trainiert werden können. Für ihre Arbeit erhielt Tomasch kürzlich einen der Kapsch Awards, die das Technologieunternehmen jährlich für herausragende Masterthesen von FHTW-Absolventen vergibt.

Als ambitionierte Nachwuchsforscherin arbeitet sie neben ihrer FH-Tätigkeit bereits an einer Dissertation, in der es um die Erforschung von Muskelverletzungen und -erkrankungen geht. "Dafür kann ich praktischerweise auf unsere trainierten Muskelkonstrukte zurückgreifen", berichtet Tomasch. "Bei der Untersuchung der zellulären Vorgänge bei Muskelschwund etwa wird den naturnahen Skelettmuskelkonstrukten jegliche Stimulation entzogen."

Ersatz für Tierversuche?

Damit lässt sich simulieren, was beispielsweise bei einem bettlägerigen Menschen auf der Zellebene passiert. Mit diesem Wissen können schließlich verbesserte Behandlungsmöglichkeiten entwickelt werden. Und noch eine große Hoffnung verbindet sich mit ihrer Forschung: "Vielleicht kann man mit den dreidimensionalen Zellmodellen einmal Tierversuche ersetzen."

Was sie als Expertin für Gewebekonstruktion vom künstlichen Fleisch aus dem Labor hält? "Eine gute Idee", meint Tomasch. "Allerdings ist die Umsetzung so teuer, dass eine solche Fleischalternative vermutlich nicht konkurrenzfähig sein wird."

Aktuell verbringt die Wissenschafterin den Großteil ihrer Zeit im Labor, was sie durchaus genießt: "Ich finde es extrem spannend, die Vorgänge in den Zellen zu beobachten!" Ob es auch ein Leben jenseits des Bioreaktors gibt? Und ob! Da wird gelesen, gelaufen, geklettert und gereist. Die nächste große Tour geht nach Mexiko. (grido, 1.1.2019)