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Der Fisch mit dem breitesten gelben Band gewinnt, zumindest bei den Weibchen. Bei den Männchen scheint es um die Farbintensität zu gehen.
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Männliche Hirsche tragen ein Geweih, Löwen eine Mähne, Pfauen fantastische Schwanzfedern, bei zahllosen Vogel- und Fischarten sind die Männchen strahlend bunt, die Weibchen hingegen unauffällig graubraun. Entstanden sind diese schmückenden Eigenschaften laut gängiger Lehre durch sexuelle Selektion: Die Männchen konkurrieren miteinander um eine begrenzte Ressource, nämlich paarungswillige Weibchen. Um ihre Chancen dabei zu erhöhen, entwickeln sie aufwendige Signale, die sie für potenzielle Partnerinnen attraktiv machen, während die Weibchen auf diese Attribute verzichten können. Es gibt allerdings auch Arten, bei denen beide Geschlechter Ornamente entwickeln, aber wie es dazu kam, ist deutlich weniger gut erforscht. Kristina Sefc vom Institut für Biologie der Universität Graz versucht mit finanzieller Unterstützung durch den Wissenschaftsfonds FWF ein paar Wissenslücken zu füllen.

Ihre Forschungsobjekte sind Fische, und zwar Buntbarsche oder Cichliden, eine Gruppe, die bei Evolutionsbiologen besonders beliebt ist. Das liegt vor allem daran, dass sie sich in relativ kurzer Zeit in hunderte verschiedene Arten aufgespaltet hat, die zwar nah verwandt sind, sich in Aussehen und Verhalten jedoch oft deutlich unterscheiden. "Wenn man die Ausprägung eines bestimmten Effekts bei verschiedenen Arten vergleichen will, geht das viel besser, wenn es zwischen den Arten wenige andere Unterschiede gibt", wie Kristina Sefc erläutert. Und die Buntbarsche sind so divers, dass es fast für jede Fragestellung eine passende Art gibt.

Beim aktuellen FWF-Projekt, das sie mit Angelika Ziegelbecker und Florian Richter umsetzt, geht es um die Cichlidenart Tropheus moorii. Die bis zu 15 Zentimeter großen Fische leben im Tanganjikasee, wo sie verschieden gefärbte Populationen ausbilden. Zurzeit im Fokus von Sefcs Gruppe steht die Ikola genannte Variante, deren Angehörige beiderlei Geschlechts einen schwarzen Körper mit einem auffälligen gelben Band um die Körpermitte haben. Und um genau dieses Band geht es.

Laut phylogenetischen Untersuchungen hingen die Vorfahren der Art dem "klassischen" Geschlechtermodell mit großen, bunten Männchen und kleinen, unscheinbaren Weibchen an. Zu dieser Zeit dürften sie auch noch als Allesfresser in Flüssen gelebt haben. Mit der Entstehung des Tanganjikasees jedoch erschloss sich für sie eine neue Nahrungsquelle: Heute grasen sie Algenbewuchs von Steinen ab. Dabei handelt es sich um eine nachwachsende Ressource, die auch verteidigt wird.

Keine Eindringlinge dulden

Jeder Tropheus hat sein eigenes Revier, in dem er keine Eindringlinge duldet. Die neue soziale Rolle als Revierbesitzerinnen stellte auch neue Anforderungen an die Weibchen: In Auseinandersetzungen um gute Reviere setzen die Fische neben ihrer Körpergröße auch ihre Körperfärbung ein, und die Weibchen mussten in diesen Eigenschaften gegenüber den Männchen nachziehen.

Aus vorhergehenden Untersuchungen wussten Sefc und ihre Mitarbeiter, dass bei beiden Geschlechtern die Körpergröße darüber entscheidet, wie erfolgreich die Tiere ihr Revier verteidigen. Um herauszufinden, ob auch das Ornament eine Rolle dabei spielt, setzten die Forscher jeweils zwei ungefähr gleich große Fische desselben Geschlechts in ein Aquarium, in dem eine Struktur aus Ziegeln ein attraktives Revier bot. Um zu klären, wer die begehrenswerte Behausung in Zukunft bewohnen darf, genügt in den meisten Fällen Imponiergehabe. "Dabei präsentieren sich die Fische von der Seite und mit allen Flossen aufgestellt, sodass ihre Größe und ihre Färbung deutlich sichtbar sind", schildert Sefc. Der unterlegene Fisch schwimmt danach gewöhnlich einfach weg.

Wie sich herausstellte, gewinnen meistens die Fische mit dem breiteren gelben Band – jedenfalls bei den Weibchen. "Das ist einer der wenigen Nachweise dafür, dass Ornamente wie auffällige Farbmuster auch durch Konkurrenz um soziale Ressourcen ohne unmittelbaren Bezug zum Fortpflanzungserfolg entstehen können", freut sich Sefc. Anders als bei den Männchen, die mit besseren Revieren auch bessere Paarungschancen haben, spielt das Revier für die Weibchen diesbezüglich nämlich keine Rolle. Tatsächlich zieht das Weibchen vor der Paarung für etwa drei Wochen in das Revier des Männchens, um sich dort die nötige Energie für die Laichproduktion anzufressen, während das Männchen sich um die Verteidigung kümmert.

Bei den Auseinandersetzungen zwischen Männchen ließ sich kein Effekt der Breite des Bandes nachweisen, das heißt aber nicht, dass das Ornament dabei keine Rolle spielt: "Es kann durchaus sein, dass es bei den Männchen um die Farbintensität geht", führt Sefc aus. Diese ist unter anderem abhängig vom jeweiligen "Gemütszustand" des Fisches und kann sich in Sekundenbruchteilen ändern. So kann ein unterlegener Fisch, der auf einen dominanten trifft, plötzlich ganz blass werden.

Stressreiche Jugend

Das Band selbst wird in der Jugend der Tiere angelegt. Sefcs Gruppe vermutet, dass Stress in dieser sensiblen Phase seine Breite beeinträchtigt. Um diese Theorie zu verifizieren, führen die Grazer Evolutionsbiologen derzeit ein Experiment durch, bei dem sie eine Gruppe von Jungfischen eine Zeitlang weniger fütterten als eine Vergleichsgruppe. "Mittlerweile werden wieder alle gleich gut ernährt", versichert Sefc, "und wir sind schon sehr gespannt, wie breit ihre Bänder werden."

Jetzt wäre natürlich noch interessant, welche Kriterien über den Ausgang entscheiden, wenn Weibchen und Männchen als Revierkonkurrenten aufeinandertreffen, doch das ist leider schwierig zu testen: "Da lässt sich eine sexuelle Komponente nie ausschließen", erklärt Sefc. (Susanne Strnadl, 6. 1. 2019)