Facebook zerschlagen? Wer die Welt der Supermonopole verstehen will, tut gut daran, erst die Lektionen der analogen Welt zu lernen.

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Digitalisierung ist zum Zauberwort avanciert. Wer sich mit öffentlicher Kommunikation beschäftigt, stößt spätestens im zweiten Absatz jedes beliebigen Strategiepapiers auf die Digitalisierung. Zu Recht: Die Digitalisierung hat nicht nur das Potenzial, die Welt der öffentlichen und privaten Kommunikation auf den Kopf zu stellen, sie tut dies bereits unverdrossen und mitunter gnadenlos. Frei nach Joseph Schumpeter fordert Innovation eben ihre Opfer. Die Krise der Digitalisierungsopfer ist der Preis des Fortschritts.

Vor dieser übermächtigen Digitalisierungsrhetorik verblasst allmählich die Medien- und Kommunikationswelt des 20. Jahrhunderts. So jedenfalls das Hauptnarrativ der zeitgenössischen Internetapologeten, deren intellektuelle Vorfahren die Welt schon gehörig an der Nase herumgeführt haben: Wie schön sollte sie doch sein, die Welt der "Cottage-Industry", in die jene großen Medienindustriekonglomerate des ausgehenden 20. Jahrhunderts zerfallen sollten, würde das Internet erst einmal seine Flughöhe erreichen (so die Vorhersage des MIT-Direktors Nicholas Negroponte 1995). Ach, wie politisch befreiend und zur Partizipation ermächtigend würde das Internet denjenigen warmen Wind unter die Flügel blasen, die bislang dazu verdammt waren, zur schweigenden Mehrheit zu gehören.

Geblendet von Visionen

Doch es ist anders gekommen. Die Wissenschaft ließ sich genauso von den grandiosen Visionen blenden wie die politisch Verantwortlichen. Nur die Silicon-Valley-Kommunikationsindustrie hat den Ball gekonnt gespielt und flugs jene Anwendungen entwickelt, denen sich heute kaum mehr jemand entziehen kann. Das Ergebnis sind Supermonopole, die den Erdball umfassen und die vorerst lediglich an jenen Grenzen scheitern, die autokratische Regime hochziehen, wie etwa die Volksrepublik China. Und selbst dort fassen die Technologien Fuß, einfach unter anderem Namen und unter der Kontrolle regierungstreuer Unternehmer.

Macht und Märkte

Wer nun aber die Welt der Supermonopole verstehen will, tut gut daran, zuerst die Lektionen der analogen Welt zu lernen. Denn Machtkonzentration ist die hässliche Seite der jeweils neuen Medien jeder Epoche. Die Erfindung und Markteinführung der Telefonie generierte nationale Anbietermonopole, in den USA in privaten Händen, in Europa in der Hand von Staatsbetrieben. Radio und nach dem Zweiten Weltkrieg Fernsehen wuchsen in den USA zu Oligopolen heran, in den meisten Staaten Europas zu öffentlichen-rechtlichen Machtblöcken, die bis heute bestehen. Die zyklischen Krisen der Zeitungen und Zeitschriften hinterließen nach jeder Welle weniger, dafür größere und einflussreichere Konzerne, die sich die Märkte untereinander aufteilten. Ökonomen erklären die Konzentration mit den ausgeprägten Größen- und Skaleneffekten der Medienindustrie. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Für die andere Hälfte ist die Untätigkeit, oder auch die Unfähigkeit, der Ordnungspolitik verantwortlich. Da Regierungen an der Macht bleiben möchten, legen sie sich nicht mit denjenigen an, die den öffentlichen Diskurs über ihr Schicksal prägen. Je untätiger Medienpolitik ist, desto dreister tanzen die Produzenten der veröffentlichten Meinung den Regierenden auf der Nase herum. In der Kommunikationswissenschaft hat sich dafür der Begriff der Mediatisierung der politischen Kommunikation eingebürgert, der treffend beschreibt, wie die Medien die sich selbst entmächtigende Politik vor sich hertreiben.

Schwache Medienpolitik sitzt wie gelähmt vor der Schlange. Noch schwächere Medienpolitik füttert die Medienmonopole auch noch, zum Beispiel mit öffentlichen Inseraten, und hofft inständig, dass die Gefütterten wenigstens die Hand nicht beißen, die ihnen die saftigen Happen hinwirft. Korrupte Medienpolitik geht noch einen Schritt weiter und übernimmt die Medien gleich selbst. Die Gründung einer staatlichen Medienholding, die Viktor Orbán Anfang Dezember verfügt hat, die weit über hundert Medien unter seiner Kontrolle zusammenfasst, ist an Dreistigkeit nicht zu übertreffen. Recep Tayyip Erdogan wird das ungarische Modell mit Wohlwollen und ein wenig neidisch beobachten.

Eine aufgeklärte Medienpolitik hingegen zieht für die digitale Zukunft ganz andere Schlüsse. Machtkonzentration in der Kommunikations- und Medienwelt stellt einen unberechenbaren Risikofaktor dar, für das eigene politische Überleben, aber auch für jede demokratische Gesellschaftsordnung. Je früher und konsequenter die Medienpolitik Maßnahmen gegen Monopole und Oligopole ergreift, desto eher lassen sich Auswüchse vermeiden und der eigene politische Handlungsspielraum sichern.

Beurteilt unter dieser Perspektive steht es nicht gut um die digitale Medienwelt. Mit Alphabet, Facebook, Apple, Microsoft und Amazon beherrschen nur gerade fünf US-Konzerne den globalen Medienmarkt, und politische Ansätze zur Machtbegrenzung sind in den Vereinigten Staaten nicht zu erkennen. Präsident Donald Trump verstrickt sich lieber in einen nicht zu gewinnenden Kleinkrieg gegen die Medien. Längst vergessen, oder geflissentlich ignoriert, sind jene muti- gen Amtsvorgänger Trumps, die zur Aufrechterhaltung des Wettbewerbs die Öl- und Telekommunikationsmonopole zerschlagen haben.

Algorithmen-Goliaths

Österreich hat viel Erfahrung mit großen Medien, deren Einfluss sich die Politik nicht zu entziehen vermochte. Weder die Regierung Faymann, die als Großsponsor eines wuchernden Boulevards in die Annalen eingeht, noch die Regierung Kern, der immerhin ein gelernter Kommunikationswissenschafter vorstand. Und schon gar nicht die türkis-blaue Koalition, die sich lieber in der Rolle des Davids mit der Steinschleuder gegen die globalen Algorithmen-Goliaths gefällt, statt im eigenen Markt dem zugegeben mühsamen Geschäft nachzugehen, die Konzentration von Medienmacht zu begrenzen.

Guter Zeitpunkt

Der Zeitpunkt für einen medienpolitischen Befreiungsschlag ist günstig. Die Werbeauftrag- geber wenden sich scharenweise von den herkömmlichen Medienoligopolen ab, junge Menschen für deren Produkte zu gewin- nen will nicht so recht gelingen. Die Grundlage von Macht und Einfluss schwindet. In einer solchen Situation sollten sich doch gemeinwohlorientierte Verhandlungspositionen durchsetzen lassen.

Das Ende der EU-Ratspräsidentschaft setzt hoffentlich Kapazitäten im zuständigen Staatssekretariat frei, sich um die unerledigten Hausaufgaben der Medienpolitik zu kümmern. (Josef Trappel, 3.1.2019)