Nancy Pelosi ist zurück an der Spitze des Kongress. In ihrer Antrittsrede zitierte sie nicht Expräsident George Washington (Bild), sondern dessen Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach- Nach-Nachfolger Ronald Reagan.

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Es ist eher selten, dass sich Demokraten auf Ronald Reagan berufen, einen Präsidenten, den die Republikaner verehren wie einen Heiligen. Nancy Pelosi hat es getan, gleich in ihrer Antrittsrede. "Sollten wir jemals die Tür vor neuen Amerikanern verschließen, werden wir unsere Führungsrolle in der Welt verloren haben", zitierte die frisch gewählte Parlamentspräsidentin die prägende politische Figur der Achtzigerjahre. Während die Demokraten jubelten, rührte sich bei den Republikanern kaum eine Hand zum Applaus. Was Pelosi mit gut gespieltem Erstaunen quittierte: "Wie, Sie klatschen nicht Beifall für Ronald Reagan?"

78 Jahre ist sie alt, wiederholt abgeschrieben, aber immer noch da. Ein Comeback, wie es der Grande Dame der Demokratischen Partei gelang, gehört zu den absoluten Raritäten der amerikanischen Republik. Im Jänner 2011 musste sie, damals die erste Madam Speaker, die erste Frau an der Spitze des Repräsentantenhauses, Platz machen für einen konservativen Nachfolger. Acht Jahre darauf nimmt sie den wuchtigen Hammer, der die Bedeutung des Amts illustrieren soll, erneut in die Hand.

Nur einmal, vor 64 Jahren, hat ein zwischenzeitlich abgelöster Speaker, der Texaner Sam Rayburn, das Kunststück vollbracht, erneut gewählt zu werden. Nancy Pelosi, kann man ohne Übertreibung sagen, hat ein zweites Mal Geschichte geschrieben. Dies in einem Kongress, in dem Frauen eine größere Rolle spielen als je zuvor: 102 von 435 Abgeordneten sind weiblich – ein neuer Rekord. 1987, in dem Jahr, in dem Pelosi im House of Representatives anfing, waren es gerade einmal 23.

Pelosi als Vermittlerin

Von ihren konservativen Widersachern wird die Tochter italienischer Einwanderer gern auf eine Karikatur reduziert. In der ist sie die abgehobene Oberlehrerin aus San Francisco, der Stadt, die sie im Kongress vertritt. Eine Frau, die zu weit links steht, um die Mitte des Landes zu begreifen, jenes "Flyover Country", über das Leute wie sie nur hinwegfliegen auf dem Weg vom Pazifik zum Atlantik. Mit der real existierenden Nancy Pelosi hat das nicht viel zu tun. In Wahrheit ist sie eine Vermittlerin, auch zwischen den Fraktionen ihrer Partei. In Wahrheit sucht sie den Ausgleich zwischen den jungen Progressiven wie Alexandria Ocasio-Cortez, der Senkrechtstarterin aus der New Yorker Bronx, und den vielen Gemäßigten, von denen einige im November Wahlkreise eroberten, in denen zuvor in aller Regel Republikaner zum Zuge gekommen waren. Eine Zeitlang hatte es so ausgesehen, als würden ihr die nach vorn drängenden Linken einen Strich durch die Rechnung machen. Zu alt, zu moderat, zu müde, beschwerten sie sich über die Kalifornierin und kündigten eine Rebellion an.

Am Ende war es ein Sturm im Wasserglas: Als das Repräsentantenhaus am Donnerstag zu entscheiden hatte, versagten ihr nur 15 Parteifreunde die Unterstützung.

Trump als Ausnahmefall

Damit ist Pelosi die zentrale Gegenspielerin Donald Trumps, und wie sie die Rolle auszufüllen gedenkt, hat sie bereits mit dem Reagan-Zitat angedeutet. Sie dürfte die Republikaner noch oft daran erinnern, wie der Mainstream der "Grand Old Party" einst dachte, nicht zuletzt über Migranten. Unter Reagan wurde zum ersten und bisher letzten Mal eine Amnestie beschlossen, die illegal Eingewanderten den Weg zur Einbürgerung ebnete. Trump, gibt Pelosi zu verstehen, ist ein Ausreißer, der für Irrwege steht, die über kurz oder lang korrigiert werden, auch von den Republikanern selbst. Sie jedenfalls wird ihm eisern Paroli bieten.

"Wir bauen keine Mauer", beharrte sie. Unter ihrer Regie wird die demokratische Mehrheit der Abgeordnetenkammer keinen Cent bewilligen, während Trump auf fünf Milliarden Dollar für den Bau besteht. Diese Mehrheit stimmte in der Auftaktsitzung des neuen Kongresses für einen Übergangshaushalt, um den seit zwei Wochen andauernden Regierungsstillstand zu beenden. Geld für die Mauer ist darin nicht vorgesehen. Im Senat dagegen wollen die Republikaner ihre Dominanz nutzen, um Debatten über einen Gesetzentwurf gar nicht erst zuzulassen, den der Präsident im nächsten Schritt blockieren würde. Ergo sind Pelosi und Trump als direkte Gegenspieler gefordert, im Dialog nach Lösungen zu suchen. Noch am Freitag wollten sie bei Gesprächen im Weißen Haus Kompromisse ausloten. (Frank Herrmann aus Washington, 4.1.2019)