Laut Richterpräsidentin Sabine Matejka kommen Verwaltungspraktikanten sofort als "Systemerhalter" in der Justiz zum Einsatz; frustrierte junge Kollegen würden in andere Ressorts wechseln.

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Wien – Auf ein Ende des Sparkurses in der Justiz drängt Richterpräsidentin Sabine Matejka. Bei den Richtern habe sich zwar die Situation etwas entspannt, beim nichtrichterlichen Personal zeigten sich aber "massive Folgen" der Kürzungen. An den Gerichten herrsche Frustration und Demotivation, die Ausfertigung von Urteilen dauere immer länger, "Akten bleiben oft drei bis vier Wochen liegen".

"Ein Sparkurs für die Justiz wie 2018/19 ist nicht akzeptabel. Auf Dauer geht das einfach nicht", gibt die Präsidentin der Richtervereinigung dem Justizminister Josef Moser (ÖVP) in die im Frühjahr startenden Verhandlungen über das nächste Budget mit. Sie hofft außerdem, dass die Justiz Thema bei der Regierungsklausur im Jänner wird "und man dort nicht die Augen vor unseren großen Problemen verschließt".

Personalwechsel in andere Ressorts

Die schon in den letzten Jahren erlebten und heuer verschärften Einsparungen zeigen laut Matejka bei Rechtspflegern, Kanzlei- und anderem nicht-richterlichen Personal jetzt "massive Folgen": Durch Unterbesetzung und ständige Überbelastung hätten die Krankenstände stark zugenommen. Verschärft werde die Situation durch einen "dramatischen Abgang" junger Mitarbeiter – zumal gleichzeitig Finanz und Inneres/Polizei Personal suchen. Allein im OLG-Sprengel Wien seien heuer 30 "gute Junge" in andere Ressorts abgewandert.

Wenn nicht genug Personal da ist, das Akten ausfertigt, helfe es nicht, wenn Richter ihre Verfügungen und Urteile rasch erledigen. Die Situation sei an vielen Gerichten so angespannt, dass es "oft nur noch Notbetrieb gibt, wenn jemand auf Urlaub oder Kur geht". Am Handelsgericht Wien müssten Rechtspraktikanten einspringen, um Tonbandprotokolle abzutippen. "Die Situation wird von Monat zu Monat schlechter", schilderte Matejka.

Angesichts der Altersstruktur – es gibt viele ältere Mitarbeiter – drohe in den nächsten Jahren auch bei den Richtern eine Pensionierungswelle. Deshalb müsste man neue Leute aufnehmen und ordentlich ausbilden. Aber die Ausbildung komme im großen Arbeitsdruck zu kurz, "Verwaltungspraktikanten werden jetzt sofort zum Systemerhalter, weil so viel Arbeit zu tun ist." Zudem könne man ihnen keine Jobzusage geben, wenn kein ausreichendes Budget fixiert wird.

Mehrbedarf vorhanden

Zum Richterbereich hat Matejka eine weitere Forderung: Die 40 Posten, um deren Besetzung heuer gerungen wurde, sind zwar mittlerweile "in trockenen Tüchern" – aber nur ein Provisorium, also keine Planposten. Dieser Bedarf besteht allerdings fix, also müsste er in den nächsten Postenplan aufgenommen werden. Außerdem müsse sich das nächste Budget an der neuen Personalbedarfsberechnung orientieren, die soeben erstellt wird. Matejka geht für manche Bereiche von einem Mehrbedarf aus.

Einer davon ist die Familiengerichtsbarkeit. Dort ist seit Sommer das Erwachsenenschutzgesetz umzusetzen – also die alten Sachwalterschaften in die neue Erwachsenenvertretung überzuführen. Das werde jedenfalls fünf bis fünfeinhalb Jahre dauern, müsse doch jeder Fall erst bei einem Verein ein Clearing machen. Ob es – wie erhofft – dann weniger gerichtliche Vertretungen geben wird, kann man laut Matejka noch nicht abschätzen, das wird nach einem Jahr überprüft. Aber es zeige sich schon jetzt, dass die Neuregelung – mit mehr Verfahrensschritten und mehr beteiligten Personen – deutlich aufwendiger ist als die alte.

Ausreichend Geld verlangt Matejka auch für die Digitalisierung. Da gab es zwar Mittel zur Umstellung auf den elektronischen Akt. Aber danach werde man IT-Bedienstete für Betreuung und Support brauchen – weil der elektronische Akt müsse zuverlässig funktionieren. "Ich kann ja nicht eine Verhandlung abbrechen, weil die Technik nicht funktioniert."

Der gelegentlich laut gewordenen Kritik an Minister Moser, dass die Justizpolitik bei ihm zu kurz komme, schließt sich Matejka nicht an. "Ich gehe davon aus, dass mit dem Abschluss des EU-Vorsitzes wieder mehr Dynamik hineinkommt" – habe der EU-Vorsitz doch viele Kräfte im Ministerium gebunden. (APA, 6.1.2018)