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"Nicht feministisch, aber feminin": Die Gelbwestinnen wollten zeigen, dass Protest gegen Macron auch ohne Gewalt auskommt.

Foto: AP Photo//Michel Euler

Wenn Emmanuel Macron gemeint hatte, dass er die Protestbewegung der Gelbwesten mit seinen milliardenschweren Zugeständnissen vor Weihnachten eingedämmt habe, sieht er sich nun getäuscht. 50.000 gingen am Samstag landesweit auf die Straße, bedeutend mehr als während der Feiertage. 4.000 waren es in Paris, 5.000 in Bordeaux, das sich zu einem Zentrum der in der Provinz geborenen Bewegung mausert. Allerdings kam es in der Weinstadt am Atlantik zu hohen Sachschäden.

Die spektakulärsten Bilder von dem achten Protestsamstag in Folge gab es einmal mehr in Paris. Das meistbeachtete Video zeigte einen – später als Profiboxer identifizierten – Schläger, der einen Polizisten in Vollmontur spitalsreif verdrosch. Andere rammten mit einem Gabelstapler das Portal eines Ministeriums und verwüsteten im Inneren mehrere Limousinen. Regierungssprecher Benjamin Grivaux musste wie schon im November über den Hofgarten fliehen. Zuvor hatte er erklärt, die Bewegung sei von "Agitatoren" unterwandert, die einen "Regierungsumsturz" anstrebten.

Nur 35 Verhaftungen

Nach der Attacke meinte der Sprecher, nicht er sei im Visier gewesen, sondern "die Republik". In Wahrheit richtete sich die Attacke aber doch gegen Grivaux – und zwar weil Macron selbst einmal mehr außer Reichweite blieb. Der Élysée-Palast war auch am Samstag hermetisch abgeriegelt. Landesweit 56.000 Polizisten waren im Einsatz – mehr als Demonstranten auf den Straßen. Macron verurteilte später die "extreme Gewalt" und versprach eine entsprechende Antwort der Justiz. Die Polizei verhaftete nur 35 Personen, der namentlich bekannte Boxer war nicht darunter.

In einer Blitzumfrage erklärten sich 59 Prozent der Befragten "schockiert" von der gezielten Gewaltanwendung, die sich in Toulon allerdings auch umgekehrt in Faustschlägen eines Polizeikommandanten ins Gesicht eines wehrlosen Demonstranten äußerte. Wegen der nicht abreißenden Gewaltspirale scheint die öffentliche Meinung den Gelbwesten weniger gewogen als zu Beginn der Proteste. Macrons Popularität nimmt aber deswegen nicht zu.

"Den König holen gehen"

Um den abnehmenden Goodwill für die Sozialbewegung wiederherzustellen, sind am Sonntag in vielen französischen Städten wie Caen, Toulouse oder Dijon hunderte weibliche Gelbwesten auf die Straße gegangen. Die Mitorganisatorin Alix Christine erklärte ihren Appell am Ruhetag damit, dass viele ihrer Freundinnen Angst hätten, an den gewalttätigen Samstagsdemonstrationen teilzunehmen. Dabei seien die Frauen an den Kreisverkehren und Straßensperren im ganzen Land stark vertreten. Und die Verzweiflung alleinerziehender Arbeiterinnen oder von Kleinpensionistinnen sei ebenso groß.

Wie entschlossen die weiblichen Gelbwesten sind, machte der Facebook-Aufruf für die Sonntagsdemo am Pariser Bastille-Platz klar: "Wir wollen uns doppelt so viel Gehör verschaffen wie die Männer – wie in der Französischen Revolution, als die Frauen die Umzüge anführten, die den König (in Versailles, Anm.) holen gingen."

Heute wollten sie nicht im Hintergrund bleiben, heißt es in dem Aufruf. "Wir bleiben komplementär und solidarisch mit den Männern; unser Kampf ist nicht feministisch, sondern feminin." Ein Ruf für "mehr Geschlechtergerechtigkeit" findet sich dennoch in dem Pamphlet. (Stefan Brändle, 6.1.2019)