Iris Hundertmark führt die Bahnhof-Apotheke im oberbayrischen Städtchen Weilheim. Sie nimmt ihren Beruf ernst. Homöopathika hat sie im Sommer 2018 aus den Regalen verbannt. Auch lagernd hat sie die Pseudomedizin nicht mehr. Globuli und Co wandern bei ihr nur noch nach Bestellung und bei ärztlicher Verschreibung über den Ladentisch – das schreibt der Gesetzgeber vor. 

Hundertmark verbannte Globuli aus ihrer Apotheke. Damit ist sie eine Vorreiterin in der Branche.
Foto: Bahnhof-Apotheke Weilheim

Der schreibt auch vor, dass Apotheken auf Basis der Evidenz beraten müssen, und deswegen klärt Hundertmark ihre Kunden auf: "Wer homöopathische Mittel verlangt, dem teile ich mit, dass über Placebo hinaus keine Wirkung zu erwarten ist, und dass in den Mitteln von dem angegebenen Wirkstoff nichts mehr enthalten ist." Was immer wieder zu überraschten Reaktionen führt. "Die wenigsten Kunden wissen, was Homöopathie bedeutet. Die glauben, dass Arnica drinnen ist, weil auf dem Fläschchen Arnica draufsteht", sagt Hundertmark. Nach wie vor hielten viele Leute Homöopathie für eine Art Naturheilkunde. 

Alleine gegen die Homoöpathie

Viel Menschen sind deswegen überrascht und für die Aufklärung dankbar, einige hat sie als Kunden verloren, ebenso viele aber neu dazu gewonnen. Die Wahrheit ist eine bittere Medizin, die vor allem den Kollegen der Zunft nicht recht zu schmecken scheint. In den Lokalmedien sticheln Kollegen mit handgestrickter Argumentation gegen Hundertmark. Ein Kollege aus Bad Tölz analysiert die Geschichte der Medizin messerscharf: "Die Schulmedizin gibt es erst 50 bis 100 Jahre. Homöopathie dagegen verzeichnet seit Jahrhunderten Erfolge." Bitterböse Zuschriften von Apotheker-Kollegen füllen mittlerweile ganze Ordner im Büro Hundertmarks. Solidarisiert habe sich im Gegenzug dazu bislang keine einzige Apotheke, beteuert die Apothekerin. An ihrer Entscheidung wird das nichts ändern: 

Keine Macht der Scharlatanerie 

Dass sie nicht die einzige der Profession ist, die so denkt, davon kann man trotz mancher Häme von Kollegenseite ausgehen. Was man sich als aufgeklärter Bürger, Kunde und Patient wünschen darf: 

1. Einen Gesetzgeber, der Klartext spricht und aus den Fakten Konsequenzen zieht. Homöopathie wirkt im Ausmaß von Placebo. In diesem Ausmaß wirken bei Krankheiten – und wenn man daran glaubt – auch gefrorene Suppenhühner, die man nachtsüber in die leere Badewanne legt, während man Andreas Gabaliers Gassenhauer "Hulapalu" verkehrt herum rezitiert. Magische Suppenhühner werden in Apotheken nicht verkauft, sondern im Supermarkt. Dorthin gehören auch Globuli. Die Apotheke ist ex lege kein herkömmlicher Laden. Der Kunde darf darauf vertrauen, dass der Apotheker eine naturwissenschaftliche Ausbildung hat und man eine Beratung erhält, die dem Stand der Wissenschaft entspricht. Das schließt Analogiezauber, Totemismus, Aderlass, Globuli und Rosenkränze als Heilmittel aus. 

2. Mutige Apothekerinnen und Apotheker nach dem Vorbild von Hundertmark, die das Selbstverständliche tun und Homöopathie und ähnlichen Tand aus dem Sortiment verbannen. Empfindliche Umsatzeinbußen sind nicht zu erwarten. Wer an leichten Unpässlichkeiten laboriert, dem wird der Apotheker anstelle wirkungsloser Globuli fortan Tees, Kräutersalben, -tinkturen, -pastillen und Gesundheitsliköre und ähnliches verkaufen. Die schmücken schon bisher unübersehbar den Point-of-Sale jeder Apotheke. Besteht der Verdacht auf eine ernste Erkrankung, wird der verantwortungsbewusste Apotheker den Kunden hoffentlich mit Nachdruck zum Arzt schicken. 

3. Eine koordinierte und professionelle Kampagne verantwortungsbewusster Apotheken. Was inhaltlich zur Scharlatanerie zu sagen ist, hat das "Informationsnetzwerk Homöopathie" längst konsumentenfreundlich und beeindruckend nüchtern zusammengefasst. Ein Kampagne muss freilich am dem Ort sichtbar sein, an dem die Scharlatanerie-Fläschchen dem Kunden in die Hand gedrückt werden. Sie darf selbstbewusst sein, angriffig und witzig. Die Vision: Apotheken schließen sich zusammen und schmücken und deklarieren sich mit einem einheitlichen Label, samt leicht verständlichem Informationsmaterial. Als Kunde erkenne ich spätestens beim Betreten der Einrichtung, dass Humbug in dieser Apotheke kein Thema sein wird. Denkbar wären Labels wie: "Hier wird nicht gezaubert", "No Scharlatanerie Inside", "Evidenz garantiert" oder ein schlichtes "Apotheke ohne Homöopathie". Das wird angenommen werden. 

In eine Apotheke gehört Medizin, und nichts anderes.
Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bade

4. Eine Apothekerkammer, die aufhört, beim Thema herum zu lavieren. Das hört sich nämlich – siehe Webseite unter dem Titel "Arznei in Spuren"  – so an: "An der Homöopathie scheiden sich die Geister." Das ist inkorrekt. An der Homöopathie scheiden sich keine Geister, die Homöopathie stellt sich bewusst und mit einer ordentlichen Portion Chuzpe in ein vorwissenschaftliches Eck, weil es sich dort recht kommod leben lässt. Dass es willige Konsumenten und ein mit allen Wassern gewaschenes Marketing der Globuli-Industrie gibt und Apotheker, die das Spiel wider besseres Wissen und für die Brieftasche mitspielen, ändert nichts an den Fakten: Homöopathie ist keine Medizin.  Weiters lesen wir auf der Webseite der Apothekerkammer zum Thema: "Kompetente Informationen dazu bekommen Sie in Ihrer Apotheke." Nun, das ist allenfalls bei Frau Hundertmark in Bayern der Fall. Die einzig kompetente Information bei der Abgabe von Globuli aus dem Mund des Apothekers, die wäre und die hört man selten: "Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass das über allfällige Placeboeffekte hinaus nicht wirken wird."

5. Einen Patienten, der – gegen eine Apotheke oder einen Arzt – und gegen den Schmarren mit den teuren und wirkungslosen Zuckerkugerln klagt. Weil er nicht aufgeklärt wurde über die Wirkungslosigkeit der Globuli, weil ihm falsche Heilversprechen gemacht wurden und damit der Zeitpunkt einer echten medizinischen Behandlung zu seinem Nachteil hinausgezögert wurde. (Christian Kreil, 10.1.2019)

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