Gar nicht lieblich: So sieht der Schnabel eines männlichen Zahnschnabelkolibris aus der Nähe aus.
Foto: Kristiina Hurme

Berkeley – Sie werden gerne mal als "fliegende Juwelen" bezeichnet und umfassen Arten mit ätherischen Bezeichnungen wie Schmetterlingselfe oder Amethystsonnennymphe. Kurz, Kolibris werden gemeinhin als liebliche Wesen wahrgenommen, ähnlich schön – und harmlos – wie die Blüten, aus denen sie Nektar trinken.

Aber sie können auch anders. Man hat Kolibris schon dabei beobachtet, wie sie Bussarde oder Eulen attackieren, berichtet Alejandro Rico-Guevara von der University of California. Allerdings laufen diese Angriffe so schnell ab, dass man sie kaum bemerkt. Rico-Guevara hat deshalb Hochgeschwindigkeitskameras eingesetzt, um Kolibri-Attacken studieren zu können – die sich zumeist freilich gegen Artgenossen oder Angehörige verwandter Arten richten.

Koevolution mit Abstrichen

Kolibris gelten als Paradebeispiel für sogenannte Koevolution: Die Form ihrer Schnäbel hat sich parallel zu der der Blüten entwickelt, aus denen sie trinken. In Extremfällen haben sich daraus so enge Bindungen ergeben, dass eine bestimmte Pflanze nur von einer einzigen Kolibriart bestäubt werden kann.

Allerdings gibt es unter anderem in Brasilien, Peru, Costa Rica und Kolumbien auch Kolibriarten, bei denen nur der Schnabel der Weibchen derart optimiert ist. Bei ihnen ist der Schnabel der Krümmung des Blütenkelchs entsprechend gebogen und zudem flexibel. Bei den Männchen hingegen ist er gerader und steif – dazu können dann noch hakenartige Fortsätze an der Spitze und/oder Einkerbungen am Rand kommen, die die Schnabelhälften zu kleinen Sägeblättern machen.

Nichts davon ist dazu angetan, die Nektarausbeute zu erhöhen – im Gegenteil: Bei manchen Kolibrispezies müssen die Männchen sogar andere Pflanzen anfliegen als die Weibchen, weil sie deren Blüten nicht meistern würden. Wofür diese Schnabelgestaltung aber gut ist, haben Rico-Guevaras Zeitlupenstudien gezeigt: Die Männchen pieksen damit andere Kolibris wie bei einem Fechtkampf oder rupfen ihnen Federn aus.

Luftkampf en miniature: Ein Veilchenohrkolibri (links) und ein Brauner Veilchenohrkolibri versuchen einander mit gesträubten Federn zu beeindrucken, ehe die Schnäbel zum Einsatz kommen.
Foto: Cristian Irian, Finca Colibrí Gorriazul

Wie Rico-Guevara und seine Kollegen im Fachjournal "Integrative Organismal Biology" berichten, werden mit diesen Waffen zweierlei Gefechte ausgetragen. Zum einen versuchen damit Männchen von ein und derselben Art, Konkurrenten um die Gunst der Weibchen auszustechen. Dieses Verhalten tritt vor allem an sogenannten Leks, also Balzplätzen, auf.

Zum anderen stürzen sich die bewaffneten Kolibris aber auch auf Angehörige anderer Arten – dann, wenn es um Nahrung geht. Je mehr Kolibriarten in einem Gebiet vorkommen, desto häufiger trifft man auch auf "bewaffnete" Spezies. In den Tropen können es bis zu 15 Arten sein, die um Nahrungsressourcen konkurrieren. In kühleren Gebieten sind es nur drei oder vier.

Rico-Guevara sieht damit das Paradoxon um die Schnabelform gelöst. Die Evolution scheint bei den Männchen dieser Arten eine suboptimale Form begünstigt zu haben – doch letztlich ist auch sie ein Ausdruck von effektiver Anpassung. Ein Kolibrimännchen braucht gar keinen Schnabel, der die Nektarausbeute maximiert, so der Forscher. Es bekommt immer noch genug ab, wenn es einfach nur alle Konkurrenten von den Blüten verscheucht. (jdo, 13. 1. 2019)