Wien – Der Presserat hat das Verfahren gegen einen als homophob kritisierten Gastkommentar in der "Presse" eingestellt. Der Text habe zwar die "erforderliche Sensibilität" vermissen lassen, hieß es am Dienstag auf der Homepage des Presserats. Allerdings habe die Zeitung "zahlreiche Repliken" darauf veröffentlicht, und außerdem gelte für einen Kommentar "weitreichende Meinungsfreiheit".

Der Autor Martin Leidenfrost bestritt in der Presse die regelmäßige Gastkolumne "Der letzte Kreuzritter". In dem Text "Homo-Ehe als Charakterprobe für Schwarze wie für Blaue" kritisierte er im September 2018 die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Damit setze sich eine "exotische Ideologie" durch, meinte er: "Wo Gläubige früher durch die Straßen zogen, um den Leib Christi zu verehren, beten sie jetzt in Latex gepresste Männerärsche an", war eine der Formulierungen, die Leser dazu brachten, sich beim Presserat wegen Homophobie und Diskriminierung zu beschweren.

Debatte und Reaktionen

Wie stets bei Kommentaren verwies der Senat 1 grundsätzlich darauf, dass darin "persönliche Meinungen und Wertungen zum Ausdruck" gebracht würden: "Die Meinungsfreiheit reicht hier besonders weit." Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierungen seien freilich auch in Kommentaren möglich; und gerade, was Homosexuelle angeht, seien diese "in unserer Gesellschaft nach wie vor zahlreichen Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt", schrieb der Presserat. Daher sollte das Thema "in den Medien mit entsprechender Sensibilität aufgearbeitet werden".

Das sei in dem Kommentar nicht passiert, allerdings: Die "Presse" habe sich der Debatte gestellt und mehrere Reaktionen veröffentlicht. "Unter Berücksichtigung dieser Repliken und der weitreichenden Meinungsfreiheit bei Kommentaren vertritt der Senat die Ansicht, dass im vorliegenden Fall davon abgesehen werden kann, einen Ethikverstoß festzustellen", hieß es. Daher wurde das Verfahren eingestellt.

Eingestellt hat indes die "Presse" auch Leidenfrosts Kolumne, wie Chefredakteur Rainer Nowak im Dezember 2018 bekannt gab. Man habe sich "auf keine gemeinsame Linie für das Format einigen können". Der Autor selbst hatte zuvor ebenfalls auf seinen Text reagiert. In einem weiteren Kommentar räumte er die Erkenntnis ein, "dass ich Homosexuelle beleidigt habe. Das tut mir aufrichtig leid". (APA, 8.1.2019)